Die Champagnerkönigin
Feininger. Sie waren ein sehr guter Kunde – a very good customer «, sagte Isabelle bekräftigend.
» Now I remember! Feininger!«, rief der Amerikaner erfreut aus. » Good champagne, very sweet …«
Mister Greenwater, der Hotelbesitzer aus Knoxville, der danebenstand, nickte.
Das lief ja wie am Schnürchen, frohlockte Isabelle innerlich. »Sehr guter Champagner«, bestätigte sie eifrig. »Und wir haben einen ganzen Keller voll davon. Ich könnte Ihnen beiden einen guten Preis machen! Sie könnten eine ganze Schiffsladung davon mit nach Hause nehmen.«
»What a nice idea! But …« Die Miene von Greg Watson verdüsterte sich so rasch, wie sie sich erhellt hatte. »Ich würde sehr gern weiter mit Ihnen darüber sprechen, junge Frau«, sagte er unglücklich. Er winkte Isabelle näher zu sich heran. Unwillkürlich machte auch Greenwater einen Schritt auf sie zu. »Aber die Verträge mit dem Champagnerhaus Trubert laufen noch über drei weitere Jahre.«
Wenn Isabelle geglaubt hatte, dass der Tag nicht noch schlechter werden konnte, hatte sie sich getäuscht. Statt eine der von den Gastgebern bereitgestellten Kutschen zu besteigen und sich komfortabel nach Hause fahren zu lassen, bestand Leon darauf, zu Fuß zu gehen. Zuerst dachte Isabelle, er mache einen Witz. Zu Fuß, in ihren feinen Schuhen? Doch als er sagte: »Dabei können wir uns in Ruhe unterhalten«, wusste sie, dass er es ernst meinte.
Hand in Hand spazierten sie los, und Isabelle musste bald zugeben, dass ihr die frische Luft und die Bewegung guttat. So viele Eindrücke, so viel, worüber sie nachdenken musste und was ihr Angst machte. Wenn sie allein an die Knebelverträge dachte, die Henriette Trubert mit den Amerikanern vereinbart hatte! Wieder eine Hoffnung weniger …
Auch Leon spazierte trotz seines Vorschlags, sich unterhalten zu wollen, schweigend neben ihr her.
Der Weg war von vielen Fackeln, die die Truberts extra für diese Nacht hatten aufstellen lassen, hell erleuchtet. Zu ihrer Linken schmiegte sich Hautvillers an den Hang, hie und da stieg vereinzelt Rauch aus einem der Kamine – noch immer waren die sternenklaren Nächte kalt. Zu ihrer Rechten lagen überall sanft geschwungene Weinberge. Isabelle genoss die kalte klare Luft, die ihre Wangen kühlte. Mit tiefen Atemzügen füllte sie ihre Lungen.
»Hier ist es wunderschön«, murmelte sie, während sie sich noch enger an Leon schmiegte. »Nie mehr möchte ich von hier fortgehen. Allein der Gedanke, dass wir das alles wieder verlieren könnten, bringt mich fast um …« Noch während sie sprach, spürte sie, dass sich Leon unmerklich versteifte und ein wenig von ihr abrückte.
»Was hast du?«, fragte sie, und von irgendwoher überfiel sie eine jähe Ahnung, dass er im nächsten Moment den ganzen Zauber zunichtemachen würde.
»Wir müssen reden«, sagte Leon. »Madame Trubert hat mir ein Angebot gemacht.«
Isabelle schluckte. Sie hatte es geahnt. Nein, sie hatte es gewusst , und zwar in dem Moment, als sich die Winzerin ihren Mann geschnappt hatte. Micheline und Marie Guenin hatten sie schließlich eindringlich vorgewarnt. Statt einzuschreiten, hatte sie den Gedanken so weit von sich geschoben wie möglich.
»Henriette sagte, ich könne jederzeit an sie verkaufen. Sie würde uns einen guten Preis bezahlen, und wir wären den Klotz am Bein, den das Weingut für meine sportlichen Aktivitäten darstellt, ein für alle Mal los.«
Isabelle hatte das Gefühl, als zöge ihr jemand den Boden unter den Füßen fort. Sie schluckte und sagte mit fremder Stimme: »Was redest du denn da? Der ›Klotz am Bein‹ ist das Erbe deines Onkels!« Einen Moment lang lag es ihr auf der Zunge zu sagen: »… das Erbe deines Vaters!« Doch dann schoss ihr durch den Kopf, dass Leon äußerst unwirsch reagiert hatte, als sie ihn kurz nach dem Einzug auf die verblüffende Ähnlichkeit zwischen ihm und Jacques auf dem Ölgemälde im Schlafzimmer angesprochen hatte. Er der Sohn von Jacques? Seine Mutter eine Ehebrecherin? Nie und nimmer! Also sagte Isabelle: »Jacques wollte explizit, dass du das Gut übernimmst. Dir hat er all das hier anvertraut.« Sie zeigte im Dunkeln in Richtung ihres Zuhauses, dem sie sich mit schnellen Schritten näherten. »Du kannst doch nicht allen Ernstes an einen Verkauf denken!« Panik stieg in ihr auf. Das hier war jetzt ihr Heim. Das Zuhause, das sie bisher nirgendwo anders gefunden hatten. Sie waren doch gerade erst angekommen …
»Warum nicht? Überleg doch mal«,
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