Die Champagnerkönigin
sagte Leon lässig. »Wenn wir alles verkaufen, hätten wir Geld bis ans Ende unserer Tage und könnten tun und lassen, was uns gefällt. Wir könnten nach Reims ziehen, die Stadt hat dir doch so gut gefallen. Du könntest jeden Tag durch die hübschen Geschäfte bummeln und nach Herzenslust einkaufen. Und ich könnte mich endlich ausschließlich dem Radsport widmen.«
»Soll ich etwa in Reims das Leben einer reichen, gelangweilten Ehefrau führen? Sinnentleerte Konversation betreiben, mir mit anderen Damen einen Wettstreit um den besten Coiffeur, die beste Modistin liefern? Leon, das ist nicht meine Welt!«, erwiderte Isabelle verzweifelt. Lieber Gott, mach, dass das nur ein böser Traum ist und ich gleich aufwache.
»Ich könnte mir endlich neues Material kaufen und damit noch bessere Zeiten fahren! Die Konkurrenz hätte das Nachsehen, und ich hätte endlich wieder Ziele, die anzugehen sich lohnen.« Seinem Tonfall war zu entnehmen, dass seine Tagträume schon weit gediehen waren. »Trainiert habe ich in den letzten Wochen schließlich genug.«
Isabelle wurde schwindlig vor Angst. »Aber wir haben doch schon Ziele, großartige sogar! Wir wollen das Weingut gemeinsam wieder in Schwung bringen. Wir zwei zusammen, ist das etwa nichts?«
»Das Weingut, das Weingut«, winkte Leon genervt ab. »Ich glaube, da haben wir uns einfach zu viel vorgenommen. Schau dich doch um – nichts als Probleme! Wenn du mich fragst, haben wir uns die ganze Zeit etwas vorgemacht. Dieses Unternehmen war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.«
Fassungslos hörte Isabelle ihrem Mann zu. »Aber Leon – das stimmt doch nicht«, sagte sie entsetzt. »Zugegeben, derzeit sieht unsere Lage nicht gerade rosig aus. Aber während wir vor ein paar Wochen noch hilflos im Nebel stocherten, wissen wir inzwischen wenigstens, woran alles krankt. Nun können wir den Stier bei den Hörnern packen. Leon, Liebster, lass uns doch einfach anfangen! Ich möchte das Weingut zum Erfolg führen, in ein paar Jahren soll Feininger zu den führenden Champagnermarken der Champagne gehören. Leon, bitte«, flehte sie eindringlich. Plötzlich war jeder Schritt zu viel für sie. Erschöpft blieb Isabelle stehen.
Sie hatten die Talsohle erreicht und damit die letzten Fackeln hinter sich gelassen. Ihr Haus war von diesem Punkt aus nur als ein großer schwarzer Schatten erkennbar, Dunkelheit umhüllte sie, der steile Weg vor ihnen war uneben und voller Stolpersteine. Statt ihr Halt zu geben wie zuvor, stand Leon ein gutes Stück von ihr entfernt.
»Du müsstest dich mal hören – Champagner vorn und Champagner hinten! Bei deinem Vater hat dich stets gestört, dass er nur sein Geschäft im Kopf hatte – doch du bist auch nicht besser! Zähle ich denn gar nicht mehr? Ich habe keine Lust, vor allen Leuten als Versager dazustehen, da konzentriere ich mich doch lieber auf Dinge, von denen ich etwas verstehe.«
Isabelle wich zurück, als hätte ihr jemand einen Schlag versetzt.
Erbittert fuhr Leon fort: »Die ganzen letzten Wochen über hast du nicht einmal gemerkt, wie zuwider mir das hier alles ist! Die Bettelfahrten zu potentiellen Kunden und dann abends deine vorwurfsvollen Blicke, wenn ich mal wieder nichts verkauft habe. Und dann kommst du daher und verkündest, dein ach so kluger Experte aus Reims sei der Ansicht, unser Champagner würde zum Verkaufen eh nichts taugen. Ist dir nicht klar, dass das alles ein einziger Alptraum ist? Es war naiv von uns zu glauben, dass wir hier einfach herkommen und Erfolg haben könnten. Henriette hat mir die Augen geöffnet – meine Stärke liegt nun einmal im Radsport und nicht im Winzerbetrieb.«
»Henriette, Henriette!«, schrie Isabelle. »Ich hasse diesen Namen, und ich hasse diese Frau! Sie hat dich umgedreht wie ein Omelett, und du fällst auf sie und ihre säuselnden Worte auch noch herein.« Im nächsten Moment schluchzte sie los. »Du kannst dich doch nicht einfach von der grellgeschminkten Hexe unterkriegen lassen, Leon, bitte …« Sie deutete auf die Rebzeilen zu ihrer Linken. Am Ende jeder dritten Zeile stand ein Rosenbusch, so wie es bei den meisten Weinbergen gang und gäbe war. »Willst du wirklich Hautvillers verlassen, ohne die Rosenblüte erlebt zu haben? Ist es dieser Ort nicht wert, länger als nur für einen Sommer hier zu sein?«
»Die Rosenblüte – als ob du dich in Berlin darum geschert hättest. Bitte werde nicht pathetisch«, sagte Leon barsch. »Wenn du denkst, dass du mit deinem Heulen bei mir
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