Die Champagnerkönigin
etwas erreichst, täuschst du dich. Und wenn ich mich von jemandem habe unterkriegen lassen, dann von dir. Schon viel zu lange tanze ich nach deiner Pfeife. Leon, repariere das Fenster hier. Leon, kümmere dich um den verstopften Ausguss da. Und Leon, wann bringst du endlich Aufträge und Geld nach Hause?«, äffte er sie auf gemeine Weise nach. »Ich kann dein Herumkommandieren nicht mehr hören.«
Isabelle sackte in sich zusammen. Durch ihren tränenverhangenen Blick wirkte es, als stürzten die Weinberge, die ihr gerade noch so lieblich erschienen waren, auf sie ein.
»Aber –«
Leon wandte sich ab. »Genug von deinen Widerworten! Ich habe das Weingut geerbt, und ich bin auch derjenige, der entscheidet, wo’s langgeht. Meine Entscheidung ist gefallen, und nichts, was du sagst, kann daran noch etwas ändern.«
1 6. Kapitel
Streit und Hader zogen in das zuvor so friedliche Haus ein. Unendliche Diskussionen folgten. Isabelle weinte, Leon stellte sich taub. Isabelle flehte, und sie bettelte. Leon jedoch sah schon die Millionen Francs vor Augen, die er durch den Verkauf erhalten würde. Ohne sich mit Isabelle abzusprechen, vereinbarte er mit Henriette Trubert einen Termin für Ende April. Gleichzeitig schickte er die Anmeldungen für die größten Rennen der nahenden Radsportsaison fort.
Als Isabelle davon erfuhr, rannte sie blindlings aus dem Haus und in die Weinberge, in der Hoffnung, dort ungestört weinen zu können. Sie war noch keine hundert Meter gerannt, als sie Micheline Guenin direkt in die Arme lief.
»Madame Feininger, um Himmels willen, was ist geschehen? Tränen an solch einem schönen Tag?«
Isabelle wandte sich ab, sie wollte nicht reden, sondern allein sein.
Doch die ältere Nachbarin sagte: »Setzen wir uns für einen Augenblick, der Boden ist angenehm warm. Eine kleine Verschnaufpause tut uns beiden gut, nicht wahr?«
Kraftlos ließ sich Isabelle neben Micheline im Gras nieder. Die dauernde Streiterei hatte sie tatsächlich müde gemacht. »Ach verflixt …« Wütend und traurig zugleich schlug sie mit ihrer zur Faust geballten Hand auf den Boden. Eigentlich war ihr nicht nach Reden zumute, doch bevor sie sichs versah, brach alles aus ihr heraus.
Micheline Guenin hörte schweigend zu. Als Isabelle zum Ende gekommen war, sagte sie: »Das alles ist doch noch lange kein Grund, zu verzweifeln oder gar an einen Verkauf zu denken!«
Isabelle schnaubte. »Das sagen Sie mal meinem Mann. Er denkt nur noch ans Radfahren und würde lieber heute als morgen aufbrechen und sich dem Radrennzirkus anschließen. Ständig blättert er in den Programmen der großen Veranstalter oder in irgendeinem Radkatalog! Ein 24 -Stunden-Bahnrennen in Paris hat er sich vorgenommen. Dazu das Eintagesrennen Paris–Roubaix. Und das tausendzweihundert Kilometer lange Rennen Paris–Brest–Paris, dessen Wendepunkt in der nordwestfranzösischen Stadt Brest am Atlantik liegt …« Sie winkte traurig ab. »Die Belange des Weinguts interessieren ihn gar nicht mehr.«
»Dann lassen Sie ihn doch ziehen«, erwiderte Micheline Guenin wegwerfend. »Verzeihen Sie, wenn ich das in aller Offenheit sage, aber eine große Hilfe war er Ihnen doch bisher auch nicht, oder? Das Weingut können Sie genauso gut allein führen.«
»Ich soll ein Weingut führen? Ich weiß gerade einmal, wo bei einer Rebe oben und unten ist, mehr aber auch nicht.« Einen Moment lang glaubte Isabelle, sich verhört zu haben. Sie lachte schrill auf.
»Nun schauen Sie nicht so entsetzt«, sagte Micheline lachend. »Sie wären nicht die erste Frau, die dieses Abenteuer wagt. Die Frauen der Champagne sind schon immer sehr selbständig gewesen, oftmals zum Leidwesen der Männer. Denken Sie an berühmte vigneronne wie Louise Pommery oder an Nicole-Barbe Clicquot, die zwei gehörten zu den erfolgreichsten Winzerinnen auf der ganzen Welt! Oder schauen Sie meine Schwägerin und mich an, wir kommen auch ganz gut zurecht. An dieser Stelle muss ich sogar Henriette Trubert anführen, die Schlange! Man kann über sie sagen, was man will – was das Geschäft angeht, nimmt sie es mit jedem Mann auf.«
Isabelle seufzte. »Ihre Aufzählung ist tatsächlich sehr beeindruckend, liebe Micheline«, sagte sie. »Nur stammen Ihre erfolgreichen Winzerinnen allesamt aus der Champagne. Sie sind sozusagen in die Welt des Weines hineingeboren worden, wohingegen ich so gut wie gar nichts davon weiß.«
»Das stimmt doch nicht, Kindchen«, sagte Micheline sanft. »Claude Bertrand
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