Die Champagnerkönigin
Isabelle aus ihren Gedanken. Die Musiker spielten einen kleinen Tusch, gleichzeitig wurden hinter Henriette mehrere Lampen angemacht. Ihr Licht strahlte von allen Seiten eine hohe Pyramide aus Champagnergläsern an.
Rufe des Entzückens ertönten, weiterer Applaus brandete auf.
Was für eine hübsche Idee! Auch Isabelle klatschte in die Hände. Doch als sie sah, wer neben den aufgetürmten Gläsern stand, verspürte sie einen kleinen Stich. Sie ergriff Leons Hand.
Daniel Lambert, Henriettes Kellermeister, setzte mit großer Behutsamkeit das letzte Glas auf das oberste Gläserdreieck der Pyramide. Er wirkte konzentriert, gleichzeitig jedoch auf seltsame Art auch unbeteiligt. Mit geübter Hand öffnete er dann die erste Magnumflasche Champagner und ließ das Getränk ins oberste Glas rinnen. Die Flüssigkeit perlte von dort in die darunterstehenden Gläser und dann immer tiefer und tiefer …
Leon pfiff anerkennend durch die Lippen, dann raunte er Isabelle zu: »Hast du so etwas schon gesehen? Hoffentlich gibt’s jetzt nicht ein Erdbeben.« Er lachte eine Spur zu laut über seinen eigenen Scherz.
Isabelle antwortete nicht. Sie war wie gebannt von dem schönen Anblick. Die gläserne Pyramide im goldgelben Licht der Lampen, die feinen Champagnerperlen, die silbern glänzten, Daniels goldblondes Haar, das, angestrahlt von den vielen Lampen, wie Kupfer funkelte …
Als alle Gläser gefüllt waren, reichte Daniel seiner Chefin das oberste Glas. Mit einem triumphierenden Lächeln hielt sie es der Menge entgegen.
»Auf Ihr Wohl, Freunde! Das Büfett ist eröffnet!«
Manche Dinge sind doch überall auf der Welt gleich, ging es Isabelle durch den Kopf, während sie zuschaute, wie die elegant gekleideten Menschen das Büfett stürmten. »Lass uns auch einen Happen essen, danach verhandelt es sich leichter«, sagte Leon, und Isabelles knurrender Magen stimmte sogleich zu. Als sie an der Champagnerpyramide vorbeikamen, reichte Daniel Lambert ihr eines der Gläser. Ihre Blicke trafen sich, und Isabelle durchfuhr ein leichter Schauer. »Zum heutigen Anlass passt das Kleid besser, Madame …«
Es dauerte einen Moment, bis Isabelle verstand, worauf er anspielte. Damals, bei ihrem allerersten Rundgang durch die Weinberge, hatte sie genau dieses rote Kleid getragen. Völlig unpassend, musste sie im Nachhinein eingestehen.
»Ich entscheide eben gern selbst, wann ein Tag ein Festtag ist«, sagte sie gespreizt. Ihre Hand zitterte ein wenig, als sie gleich darauf einen großen Schluck trank.
Henriette, die noch neben der Pyramide stand, verfolgte die kleine Szene stirnrunzelnd. Sich zwischen Daniel und Isabelle drängend, sagte sie: »Wenn Sie es gestatten, werde ich Sie nun mit ein paar wichtigen Leuten bekannt machen.«
Isabelle warf dem opulenten Büfett einen sehnsüchtigen Blick zu.
»Sehr gern«, sagte sie und versetzte Leon, der ebenfalls hungrig auf das Essen starrte, einen Schubs.
»Darf ich vorstellen – Edgar Ruinart. Und das hier ist Leon Feininger, der berühmte Radrennfahrer aus Deutschland!«
Ruinart, dem eines der erfolgreichsten Champagnerhäuser aller Zeiten gehörte, reichte Leon höflich, aber nicht sonderlich interessiert die Hand.
»Die Erfolge von Leon Feininger sind so zahlreich, dass ich mich nicht einmal bemühe, sie aufzuzählen. Stell dir vor, Edgar, er hat sogar die Alpen mit dem Fahrrad überquert.« Henriette schaute ihr Gegenüber um Beifall heischend an.
»Und nicht nur einmal!« Mit vor Stolz geblähter Brust wollte Leon Feininger ein Gespräch mit Ruinart beginnen, doch Henriette zog ihn und Isabelle weiter.
»Und hier haben wir Henri-Marie Lanson, den Sohn von Viktor Lanson. Seit er die Geschäfte des berühmten Champagnerhauses in Reims führt, ist der Ruf des Namens Lanson weltweit nochmals gewachsen.«
»Du schmeichelst uns, liebe Henriette«, sagte der gutaussehende junge Mann und küsste lächelnd ihre Hand.
»Henri, ich möchte dir einen ganz außergewöhnlichen Gast vorstellen – Leon Feininger, ein sehr erfolgreicher Radrennfahrer. Letztes Jahr ist er ein 24 -Stunden-Bahnrennen gefahren – am Stück.«
Erstaunt und ein wenig verärgert zugleich hob Isabelle die Brauen. Was fiel Madame Trubert ein, sie selbst völlig zu übergehen?
»Sie fahren Veloziped? Wie interessant«, wandte sich Henri Lanson prompt nur an Leon. »Meine Tochter möchte auch solch ein Gefährt haben, vielleicht darf ich Sie bei Gelegenheit um Rat fragen?«
»Natürlich! Allerdings ist meine Erfahrung
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