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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Räder bestellt hatte, war ihr ein wenig bange geworden. Was, wenn sie sich verrechnet hatten und der Fahrradboom ein Ende nahm, bevor er richtig begonnen hatte? »Dann bleiben wir auf einem riesigen Berg Fahrräder sitzen!«, hatte Adrian lachend auf ihre Sorgen erwidert. Also richteten sie den Blick nach vorn, spuckten in die Hände und eröffneten ihren Fahrradgroßhandel mit angeschlossener Werkstatt. Eine Radfahrschule war nach kurzer Zeit dazugekommen, denn so konnten ihre Kunden das Fahren gleich an Ort und Stelle erlernen. Das ganze Geschäft florierte und bereitete sowohl Adrian als auch Josefine großen Spaß.
    »Unglaublich, damit ist man ja schneller als der Wind!«, sagte die Kundin, die mit vom Fahrtwind zerzausten Haaren und geröteten Wangen vom Rad stieg. »Ich nehme es.«
    Adrian und Josefine lachten gleichzeitig auf.
    »Da waren’s nur noch neunundsiebzig. Am besten mache ich mich gleich an die Nachbestellung«, sagte er und überließ es Josefine, den Verkauf abzuschließen.
    Sie hatte gerade den Rechnungsbetrag fein säuberlich in ihr Kontenbuch eingetragen, als die Türglocke erneut ging. Automatisch öffnete sie den Mund, um den nächsten Kunden zu begrüßen. Doch als sie sah, wer im Türrahmen stand, klappte sie ihn vor Erstaunen wieder zu.
    »Ein junger gesunder Mann wie Leon … Gestorben, einfach so, das versteht man doch nicht, oder?« In Claras Blick lag Fassungslosigkeit und Verzweiflung zugleich. »Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es Isabelle geht. Sie war doch so in Leon vernarrt! Kein Wunder, dass sie untröstlich ist.«
    Josefine nickte stumm. Sie hatte kurze Zeit vor Isabelle geheiratet, und der Gedanke, so jung Witwe zu werden, ließ ihr einen kalten Schauer den Rücken hinablaufen. Ein Blick auf die Freundin aus Kindertagen reichte, um zu wissen, dass Clara dieselben Gedanken durch den Kopf gingen.
    »Der Brief dieser Nachbarin ist eindeutig ein Hilferuf. Isabelle braucht uns, so viel steht fest.«
    »Aber wie sollen wir ihr helfen? Ich meine, wir sind doch bloß Freundinnen von früher, schon seit einiger Zeit geht jede von uns ihren eigenen Weg. Wäre das nicht eher die Aufgabe von Isabelles Eltern?«
    » Bloß Freundinnen von früher – wie du das sagst.« Missmutig schüttelte Josefine den Kopf. »Ist Freundschaft nicht das Einzige, was zählt? Mit Isabelles Eltern brauchst du jedenfalls nicht zu rechnen, für die ist ihre Tochter doch an dem Tag gestorben, an dem sie nicht mehr die Wünsche des großen Herrn Herrenhus erfüllt hat. Schau dir doch meine Eltern an, auch sie haben mich verstoßen, nur weil ich nicht das tat, was sie von mir erwarteten. Es hat nicht jeder eine so liebe Mutter und einen so gütigen Vater wie du, Clara.« Als Josefine Claras schuldbewussten Blick sah, ärgerte sie sich, die letzte Bemerkung überhaupt gemacht zu haben. Bei einem Ehemann wie Gerhard Gropius konnte Clara wirklich jedes bisschen an Unterstützung durch ihre Eltern brauchen. »Natürlich dauert es eine Zeit, bis man sich mit solch einem Verlust abgefunden hat, die Menschen halten schließlich nicht umsonst ein Trauerjahr ein. Aber für mich hört sich der Brief eher danach an, als käme Isabelle gar nicht mehr auf die Beine.«
    »Meinst du?«, fragte Clara und biss sich auf die Unterlippe. »Arme Isabelle …«
    Ihr Schweigen wurde vom Ticken der großen Wanduhr übertönt. Clara zupfte am Saum ihres rechten Jackenärmels herum. Josefine stierte auf den Entwurf eines Werbeprospekts, der vor ihr auf dem Schreibtisch lag. Eigentlich hatte sie dem Prospekt jetzt den letzten Schliff verpassen wollen. Die Zeichnungen, mit denen sie die technischen Raffinessen ihrer Crescent -Fahrräder erklären und anpreisen wollten, verschwammen vor ihren Augen zu einem Durcheinander aus Strichen, Rundungen und Punkten, während ihr Tausende Gedanken durch den Kopf gingen.
    Isabelle brauchte ihre Hilfe, schön und gut, aber wie sollte sie sich hier loseisen? Das Sommergeschäft war sehr rege, auch vom Herbst versprachen sie sich einiges. Zudem wollte Adrian in den nächsten Wochen sein neues Projekt, die Organisation von Radrennen, angehen. Nachdem er durch die Knieverletzung selbst nicht mehr Radrennen fahren konnte, drängte es ihn, dem Radsportgeschehen auf andere Weise nahe zu sein. Exklusive Bahnrennen für Radsportler der Spitzenklasse wollte er veranstalten, und das nicht nur in Berlin, sondern im ganzen Kaiserreich. Da konnte sie doch nicht einfach sagen: »Ich verschwinde für einige Zeit

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