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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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ihr vorwarf, aus jeder Mücke einen Elefanten zu machen? Im Stillen warf sie ihm dasselbe vor, aber so etwas würde sie natürlich nie laut äußern.
    Wie soll ich nur auf den Hilferuf von Isabelles Nachbarin reagieren? Mit dieser Frage endete sie ihre heutige Tagebucheintragung. Viel Klarheit hatte sie nicht gewonnen, dennoch fühlte sie sich ein bisschen ruhiger und wohler.
    Nachdem sie das lederne Büchlein wieder sicher verwahrt hatte, setzte sie sich an die Einkaufsliste für ihr abendliches Menü. Sie wollte eine Blumenkohlsuppe kochen, danach ein in Rotwein geschmortes Huhn, als Dessert sollte es eine Quarkcreme mit frischen Pfirsichen geben – sie hoffte, dass ihr Menü Gerhards Ansprüchen und denen ihrer Gäste genügte. Die Zutaten würde sie jedenfalls problemlos im nahe gelegenen Laden bekommen – viel Zeit für den Einkauf und das Kochen hatte sie heute nämlich nicht. Ihren Korb und den Geldbeutel mit dem für diese Woche zugeteilten Haushaltsgeld schon in der Hand, schaute sie noch kurz in der Kinderstube vorbei. Das Kindermädchen war dabei, Matthias für einen Spaziergang an der Spree fertigzumachen, sie wollten Boote fahren lassen. Lächelnd beobachtete Clara, wie ihr Sohn das gefaltete Papierboot so fest an seine Brust drückte, dass es, zerknittert und außer Form, höchstwahrscheinlich schon beim ersten Wasserkontakt sinken würde. Sie drückte dem Kleinen einen Kuss auf die Wange, dann riss sie sich von ihm los.
    Der Brief.
    Es gab nur einen Menschen, mit dem sie darüber reden konnte.

    »… hier auf diesen Sattel setzen Sie sich, dann kommen beide Hände an den Lenker, dann erst ein Fuß aufs Pedal und den zweiten hierhin – nein, warten Sie!«, rief Josefine, als ihre Kundin einfach losradeln wollte. »Ich muss Ihnen doch erst noch erklären, wie die Bremse funktioniert.«
    Die Frau, eine Hausfrau mittleren Alters, winkte ab. »Das weiß ich schon alles, meine Nachbarin hat vor zwei Wochen genau solch ein Rad bei Ihnen gekauft und mir jede Funktion erklärt. Sie ist sehr zufrieden damit. Zukünftig wollen wir gemeinsam Fahrrad fahren. Wenn ich jetzt also eine Proberunde drehen dürfte?«
    Lächelnd willigte Josefine ein. »Aber passen Sie auf, nach dem Regen sind die Straßen noch ein wenig rutschig!« Während sie zuschaute, wie ihre Kundin wacklig und tapfer zugleich die Straße, in der ihr Fahrradgroßhandel lag, entlangfuhr, trat Adrian aus der Tür des Lagerhauses. Josefines Herz machte einen Hüpfer, wie immer, wenn sie ihren Mann sah. Und wie so oft dankte sie für das gnädige Schicksal, das ihr widerfahren war. Adrian. Ihr Mann, ihre Liebe. Sie teilten nicht nur die große Leidenschaft für Fahrräder, sondern auch ihr Leben miteinander.
    Als Adrian sie sah, kam er mit dem Notizblock in der Hand und einem Bleistift hinterm Ohr auf sie zu. Noch immer zog er das linke Bein ein wenig nach, dabei lag der Überfall in Amerika, bei dem ihm Ganoven ins Knie geschossen hatten, schon über ein Dreivierteljahr zurück. In der Hoffnung, eines Tages doch wieder normal laufen – und Rad fahren – zu können, absolvierte Adrian allmorgendlich eisern seine Gymnastikübungen. Josefine tat es ihm gleich. Ihre Glieder funktionierten zwar alle noch, aber da sie durchs viele Arbeiten nur selten zum Radfahren kam, konnte ihr die Bewegung auch nicht schaden.
    Nachdem Adrian sich versichert hatte, dass keiner ihrer drei Angestellten in der Nähe war, küsste er sie lange und zärtlich auf den Mund. Josefines Lippen öffneten sich, und sie genoss das Spiel seiner Zunge in ihrem Mund. Leise Begehrlichkeit erwachte in ihr, sie schmiegte sich enger an Adrian. Doch als sie ihre radelnde Kundin näher kommen sahen, lösten sie sich voneinander und tauschten einen letzten vertrauten Blick. Dann sagte er: »Unser Bestand schrumpft erschreckend schnell. Es sind noch dreihundert Räder da, davon sind gerade mal achtzig Damenräder, der Rest ist für die Herren. Wie es wohl kommt, dass gerade Damenräder bei uns so gefragt sind?«, fügte er augenzwinkernd hinzu.
    Josefine schmunzelte, während die Kundin noch einen Bogen fuhr. »Keine Ahnung, ich weiß nur, dass ich allein in der letzten Woche vierzig Räder verkauft habe.« Obwohl sie genauestens über ihren Bestand, die Verkäufe und alles, was mit ihrem Geschäft zusammenhing, Bescheid wusste, fiel es ihr immer noch schwer, ihren Erfolg zu glauben.
    Als Adrian im letzten Herbst bei der amerikanischen Radfabrik Western Wheel Works in Chicago zweitausend

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