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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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festgestellt. Gerhard hatte sogleich im Kreise anderer Mediziner Fachgespräche begonnen, ihr war nichts anderes übrig geblieben, als allein durch den Garten zu schlendern. Jeder kannte jeden, nur sie kannte niemanden. Am liebsten wäre sie heimgegangen, wo das Kindermädchen und ihr zweijähriger Sohn Matthias bestimmt im Garten spielten und wo es nicht so anstrengend war. Bei Kaffee und Kuchen war sie dann doch noch mit einem sehr netten Ehepaar ins Gespräch gekommen. Die Frau kannte Claras Eltern und war eine langjährige Kundin in deren Apotheke. Clara war erleichtert, nicht mehr wie das fünfte Rad am Wagen zu wirken. Auf einmal hatte die gute Stimmung auf dem Fest ansteckend auf sie gewirkt. Sie hatte geplaudert, gelacht und gescherzt und sich wohl gefühlt. Ein schönes Gefühl, stellte sie fest. Und glaubte anschließend, sich ganz gut geschlagen zu haben. Doch kaum waren sie zu Hause gewesen, ging es los: »Was ist dir eingefallen, dich ausgerechnet mit Doktor Köhnemann einzulassen?«, schrie Gerhard sie an. »Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht, als ich sah, dass du mit einem meiner schärfsten Konkurrenten herumschäkerst! Seine neue Praxis in der Landsberger Allee ist in aller Munde, es heißt, sie sei mit allen technischen Raffinessen ausgestattet – dagegen kann ich mit meiner alten Bruchbude nur schwer ankommen. Aber solche Gedanken macht sich meine liebe Frau ja nicht, stattdessen hast du dich wie eine billige Hure benommen, ohne jegliche Contenance und jeglichen Anstand, pfui Teufel!« Stundenlang hatte er ihr dann Vorhaltungen gemacht, Clara hatte zehnmal zu beteuern versucht, dass alles ganz harmlos gewesen war. Aber am Ende hatte sie eingesehen, dass sie einen Fehler begangen hatte. Wieder einmal. Wenigstens hatte Gerhard sie nicht geschlagen.
    »Außerdem erwarte ich von dir eine gepflegte Konversation mit den Hackestorms. Kein übermäßig lautes Lachen, kein dummes Schweigen. Das Theater, Neuerscheinungen in der Literatur – von mir aus kannst du auch über unsere letzte Reise nach Norddeich sprechen. Erwähne dann unbedingt unseren Besuch in dem teuren Restaurant neben der Ludgeri-Kirche, wo am Nebentisch Paul von Hindenburg saß. So etwas ist immer dazu angetan, die Leute zu beeindrucken.«
    Clara nickte, dabei konnte sie sich an besagten Restaurantbesuch kaum noch erinnern. Der Seewind, der ihr so gründlich den Kopf durchgepustet hatte, das Spiel der Wellen und der Sand zwischen ihren Zehen – all das war ihr viel stärker in Erinnerung geblieben als das steife Mahl in dem düsteren Lokal.
    »Und wehe, du bringst wieder das Gespräch auf Matthias! Zu glauben, dass sich die Leute für die Entwicklung eines Kleinkindes interessierten – so dämlich kannst auch nur du sein.« Gerhard nahm geräuschvoll einen Schluck Kaffee.
    »Aber andere Frauen sprechen auch von ihren Kindern«, traute sich Clara zu sagen. »Es ist doch unsere von Gott gewollte Aufgabe, Kinder großzuziehen, das sagst du selbst.«
    Kopfschüttelnd schaute Gerhard sie an. »Manchmal glaube ich, du legst es darauf an, mich zu ärgern. Ja, andere Frauen erwähnen ihre Brut auch hie und da, aber keine tut sich so wichtig damit wie du. Oder glaubst du etwa, eine Frau Hackestorm sitzt den ganzen Tag im Kinderzimmer und spielt alberne Spiele? Eine Dame wie sie nimmt ihre repräsentativen Pflichten ernst. Du hingegen …« Angewidert winkte er ab. »Lassen wir das, sonst ist meine Laune verdorben, bevor ich die erste Tasse Kaffee ausgetrunken habe.« Ohne ein weiteres Wort nahm er sich erneut seine Zeitung vor.
    Clara atmete auf.
    Kaum war Gerhard zu seiner Praxis aufgebrochen, rannte Clara ins Schlafzimmer und zog ihr Tagebuch unter der Matratze hervor. Ein besseres Versteck wollte ihr nicht einfallen, und sie betete täglich, dass Gerhard es nie entdecken möge. Sie setzte sich an das kleine, runde Beistelltischchen vor dem Schlafzimmerfenster und ließ ­einen Moment lang ihren Blick hinaus auf die Straße schweifen.
    Gestern kam ein seltsamer Brief an, begann sie dann zu schreiben.
    Schon bald nach der Heirat hatte sie festgestellt, dass es ihr guttat, ihre Gedanken auf Papier zu bannen, sie zu ordnen und dabei zu bewerten. Oftmals kam ihr dann eine Begebenheit aus ihrem Alltag längst nicht mehr so erdrückend vor wie während des Erlebens selbst. Gerhards oftmals rigorose Ansichten, sein Befehlston ihr gegenüber, seine Ansprüche – vielleicht war sie wirklich ein wenig überempfindlich? Hatte er recht, wenn er

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