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Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Selbstbeherrschung wie-
    der, und meine erste Frage lautet:
    »Seit wann besteht diese Feuersbrunst?«
    »Seit 6 Tagen!«
    »Seit 6 Tagen!« rufe ich. Es war also in jener Nacht
    . . .?»Ja«, erwiderte mir Robert Kurtis, »seit der Nacht,
    während der die sonderbare Aufregung auf dem Ver-
    deck der ›Chancellor‹ herrschte. Die wachhabenden
    Matrosen hatten leichten Rauch bemerkt, der aus den
    Fugen am Deckel der großen Luke quoll. Der Kapitän
    und ich waren sofort zur Stelle. Kein Zweifel! Die Wa-
    ren im Kielraum hatten Feuer gefangen, und es gab kei-

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    nen Weg, zum Herd der Entzündung zu gelangen. Wir
    haben getan, was unter solchen Verhältnissen nur allein
    möglich ist, d.h. wir haben die Luken, so dicht wie es
    irgend anging, verschlossen, um jeden Zutritt der Luft
    nach dem Innern des Fahrzeugs abzuhalten. Ich hoffte,
    wir würden dadurch imstande sein, die Feuersbrunst
    im Entstehen zu ersticken, und die ersten Tage glaubte
    ich wirklich, wir wären ihrer Herr geworden. Seit 3 Ta-
    gen steht aber fest, daß das Feuer Fortschritte macht.
    Die Hitze unter unseren Füßen nimmt zu, und ohne die
    Vorsichtsmaßnahmen, das Verdeck immer feucht zu
    halten, wäre es hier nicht zum Aushalten. Alles in allem,
    Mr. Kazallon, ist es mir lieber, daß Sie über den Stand
    der Dinge informiert sind, deshalb sage ich Ihnen das.«
    Schweigend lausche ich dem Bericht des zweiten Of-
    fiziers. Ich durchschaue den ganzen Ernst der Situation
    gegenüber einer Feuersbrunst, die von Tag zu Tag mehr
    Ausbreitung gewinnt und die zuletzt vielleicht keine
    menschliche Macht mehr zu dämpfen vermag.
    »Ist Ihnen die Entstehung des Feuers bekannt?« frage
    ich.»Sehr wahrscheinlich ist sie in einer Selbstentzün-
    dung der Baumwolle zu suchen.«
    »Kommt so etwas häufig vor?«
    »Häufig? Nein! Aber dann und wann; denn wenn die
    Baumwolle zur Zeit der Einschiffung nicht vollkommen
    trocken ist, kann sie unter den Verhältnissen, in denen
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    sie sich später befindet, d.h. bei der feuchten Luft eines
    Kielraums, der nur sehr unzulänglich zu belüften ist,
    sich ganz von selbst entzünden. In mir steht die Über-
    zeugung fest, daß die Feuersbrunst an Bord keine an-
    dere Ursache hat.«
    »Doch die Ursache fällt für uns jetzt nicht ins Ge-
    wicht. Ist etwas dagegen zu tun, Mr. Kurtis?«
    »Nein, Mr. Kazallon«, antwortete mir Robert Kurtis;
    »doch wiederhole ich Ihnen, daß wir alle für den ge-
    gebenen Fall gebotenen Vorsichtsmaßnahmen ergrif-
    fen haben. Ich hatte daran gedacht, das Schiff in der
    Wasserlinie an einer Stelle zu öffnen, um eine gewisse
    Menge Wasser einströmen zu lassen, das die Pumpen
    später leicht herausgeschafft hätten; da wir aber zu der
    Überzeugung kamen, daß das Feuer jedenfalls in der
    Mitte der Fracht entstanden ist, hätten wir den ganzen
    Kielraum unter Wasser setzen müssen, um jenes zu er-
    reichen. Inzwischen habe ich an mehreren Stellen des
    Verdecks kleine Öffnungen anbringen lassen, durch die
    während der Nacht Wasser eingegossen wird, doch er-
    weist sich das als unzureichend. Nein, es ist wirklich nur
    ein Weg offen, – derselbe, den man in solchen Fällen im-
    mer einschlägt, das Feuer zu ersticken, indem man ihm
    jeden Luftzutritt von außen abschneidet und dadurch
    den die Verbrennung unterhaltenden Sauerstoff raubt.«
    »Und das Feuer ist trotzdem am Wachsen?«
    »Ja, und das liefert den Beweis für das Eindringen
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    von Luft in den Frachtraum durch eine Öffnung, die wir
    trotz alles Nachsuchens nicht zu entdecken imstande
    sind.«
    »Hat man Beispiele dafür, Mr. Kurtis, daß Schiffe un-
    ter solchen Verhältnissen ausgehalten haben?«
    »O gewiß, Mr. Kazallon; es kommt gar nicht so sehr
    selten vor, daß mit Baumwolle befrachtete Schiffe in
    Liverpool oder Havre mit zum Teil verzehrter Fracht
    anlangten. In diesen Fällen hatte man freilich das Feuer
    zu löschen, mindestens in Schranken zu halten ver-
    mocht. Mir ist mehr als ein Kapitän bekannt, der so, mit
    dem Feuer unter den Füßen, in den Hafen eingelaufen
    ist. Dann mußte natürlich eiligst die Ladung gelöscht
    werden, wodurch mit derem unversehrten Teil auch das
    Schiff gerettet wurde. Bei uns liegen die Dinge leider
    schlimmer, und ich verhehle mir nicht, daß das Feuer,
    anstatt beschränkt zu werden, täglich weitere Fort-
    schritte macht. Notwendigerweise existiert irgendeine
    Öffnung, die sich unserem Nachsuchen entzieht und
    die durch Zuführung frischer

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