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Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Luft den Brand ernährt.«
    »Erschiene es da nicht angezeigt, umzukehren, und
    sobald wie möglich Land zu erreichen zu suchen?«
    »Vielleicht«, entgegnet mir Robert Kurtis; »das ist
    eine Frage, die der Leutnant, der Hochbootsmann und
    ich noch heute mit dem Kapitän besprechen wollen;
    doch ich gestehe, ich sage das Ihnen, Mr. Kazallon, daß
    ich es schon auf mich genommen habe, den bis jetzt ge-
    — 46 —
    steuerten Kurs zu ändern; wir haben jetzt den Wind im
    Rücken und fahren nach Südwesten, d.h. auf die Küste
    zu.«
    »Die Passagiere wissen nichts von der ihnen drohen-
    den Gefahr?« fragte ich den zweiten Offizier.
    »Nichts, und ich bitte Sie auch um Stillschweigen über
    das Ihnen Mitgeteilte. Es ist unnötig, durch den Schre-
    cken der Frauen und vielleicht kleinmütiger Männer
    unsere Verlegenheiten zu vermehren. Auch die Mann-
    schaft hat Befehl, nicht darüber zu sprechen.«
    Mir leuchten die gewichtigen Gründe des Mannes, so
    zu sprechen, ein, und ich versichere ihn meiner unbe-
    dingtesten Verschwiegenheit.
    10
    20. und 21. Oktober. – Unter diesen Umständen setzt
    die ›Chancellor‹ ihre Fahrt mit so vielen Segeln fort, wie
    ihre Masten tragen können. Manchmal biegen sich ihre
    Obermasten so, als ob sie brechen sollten, aber Robert
    Kurtis wacht aufmerksam. Er bleibt immer neben dem
    Steuerrad, da der Mann dort nicht sich allein überlassen
    sein soll. Durch kleine geschickte Schwenkungen gibt er
    der Brise nach, wenn die Sicherheit des Fahrzeugs ge-
    fährdet sein könnte, und so weit es möglich ist, verliert
    die ›Chancellor‹ unter der Hand, die sie regiert, nichts
    an ihrer Geschwindigkeit.
    — 47 —
    Heute, am 20. Oktober, sind alle Passagiere auf das
    Oberdeck gekommen. Sie haben offenbar die abnorme
    Temperaturerhöhung im Inneren bemerken müssen; da
    sie jedoch die Wahrheit nicht ahnen, verursacht sie ih-
    nen keinerlei Unruhe. Da sie alle starkes Schuhwerk tra-
    gen, haben sie auch die Wärme, die trotz der Begießung
    mit Wasser durch das Verdeck dringt, nicht gefühlt. Die
    fortwährende Tätigkeit der Pumpen hätte zwar ihre
    Aufmerksamkeit erregen sollen; doch nein, meist stre-
    cken sie sich auf die Bänke aus und lassen sich vollkom-
    men ruhig vom Rollen des Schiffes wiegen.
    Mr. Letourneur allein scheint erstaunt, daß sich die
    Mannschaft einer auf Handelsschiffen ganz ungewohn-
    ten Reinlichkeit befleißigt. Er spricht darüber einige
    Worte zu mir, und ich antworte ihm in gleichgültigem
    Ton. Dieser Franzose ist übrigens ein energischer Mann,
    ihm könnte ich wohl alles mitteilen; ich habe Robert
    Kurtis jedoch versprochen zu schweigen, also schweige
    ich.Wenn ich mir aber die möglichen Folgen der bevor-
    stehenden Katastrophe vergegenwärtige, dann steht mir
    das Herz fast still. 28 Personen sind wir an Bord, viel-
    leicht ebenso viele Opfer, denen die Flammen keine ret-
    tende Planke übriglassen werden!
    Heute hat die Konferenz zwischen dem Kapitän, dem
    zweiten Offizier, dem Leutnant und dem Hochboots-
    mann stattgefunden. Kapitän Huntly ist, wie voraus-
    — 48 —
    zusehen war, ganz gebrochen. Er hat weder kaltes Blut,
    noch Energie, und überläßt das Kommando des Schif-
    fes Robert Kurtis. Die Fortschritte der Feuersbrunst im
    Innern sind nun unbestreitbar, und schon kann man
    sich in dem am Vorderteil gelegenen Mannschaftsraum
    kaum noch aufhalten. Offenbar ist man nicht imstande,
    das Feuer zu beschränken, und früher oder später muß
    es zum Ausbruch kommen.
    Was wird nun zu tun sein? Es gibt nur ein Mittel: So
    bald wie möglich das Land erreichen! Das nächstgele-
    gene Land ist den Beobachtungen nach die Inselgruppe
    der kleinen Antillen, und man kann wohl hoffen, bei
    anhaltendem Nordostwind schnell dahin zu gelangen.
    Da man sich in dieser Ansicht geeinigt hat, will der
    zweite Offizier die schon seit 24 Stunden eingeschlagene
    Richtung weiter beibehalten. Die Passagiere, denen auf
    dem unendlichen Ozean jeder Anhaltspunkt fehlt, und
    die mit den Kompaßangaben sehr wenig vertraut sind,
    haben die Änderung in der Richtung der ›Chancellor‹
    nicht wahrnehmen können, die jetzt mit dem ganzen
    Segelwerk die Antillen zu gewinnen sucht, von denen
    sie noch an die 600 Meilen entfernt ist.
    Auf eine von Mr. Letourneur an ihn hierüber gerich-
    tete Frage antwortet Robert Kurtis, daß er, da man ge-
    gen den Wind nicht aufzukommen vermöge, im Westen
    günstige Strömungen aufzusuchen beabsichtige.
    Es bildet das die einzige Bemerkung,

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