Die Chancellor
das ist nicht möglich.
In der Tat erscheint die Haltung des Kapitäns et-
was schwerfällig, sein Körper ziemlich abgespannt.
Er ist nachlässig, das sieht man an seinem unsicheren
Blick, den passiven Bewegungen der Arme und seinem
Schwanken, bei dem er von einem Bein auf das andere
fällt. Dieser Mann ist nicht energisch, kann es nicht sein,
nicht einmal starrköpfig, denn seine Augen haben kein
Feuer, sein Kinn ist fein und weich und seine Hände
scheinen sich gar nicht ballen zu können; außerdem
fällt mir an ihm noch ein eigentümliches Wesen auf, das
ich mir noch nicht zu erklären vermag, doch werde ich
ihm auch ferner diejenige Aufmerksamkeit schenken,
die der Befehlshaber eines Schiffes verdient, auf dem er
sich »nach Gott den nächsten« nennt.
Wenn ich nicht irre, befindet sich aber zwischen Gott
und Silas Huntly noch ein anderer an Bord, der gege-
benenfalls eine hervorragende Stelle einzunehmen be-
stimmt scheint, das ist der zweite Offizier der ›Chancel-
lor‹, den ich noch nicht genügend studiert habe und von
dem zu sprechen ich mir für später vorbehalte.
Die Besatzung der ›Chancellor‹ besteht aus Kapitän
Huntly, dem zweiten Offizier Robert Kurtis, dem Leut-
nant Walter, einem Hochbootsmann und 14 Matrosen,
lauter Engländer oder Schotten, zusammen also 18 See-
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leute, – eine Anzahl, die zur Führung eines Dreimasters
von 900 Tonnen Gehalt völlig hinreichend ist. Die Män-
ner scheinen ihr Geschäft alle gut zu verstehen. Was ich
bis jetzt davon sah, beschränkte sich freilich darauf, daß
sie unter dem Kommando des zweiten Offiziers in dem
engen Fahrwasser vor Charleston sehr geschickt manö-
vrierten.
Ich vervollständige das Verzeichnis der auf der ›Chan-
cellor‹ eingeschifften Personen durch Erwähnung des
Steward Hobbart, des Negerkochs Jynxtrop und durch
Hinzufügung einer Liste der Passagiere.
Von letzteren zähle ich, wenn ich mich mitrechne,
8 Personen. Noch kenne ich sie kaum, doch werden die
Eintönigkeit einer längeren Überfahrt, die kleinen Vor-
kommnisse jedes Tages, die unumgängliche Berührung
mehrerer auf so engem Raum zusammen wohnender
Leute, das natürliche Bedürfnis, seine Gedanken aus-
zutauschen und die dem Menschenherzen eingeborene
Neugier uns zeitig genug einander näherbringen. Bis
jetzt haben uns noch der Wirrwarr der Einschiffung, die
Besitznahme der Kabinen, die Einrichtungen, die eine
Reise von 3 bis 4 Wochen nötig macht, und verschiede-
nerlei andere Geschäfte voneinander ferngehalten. Ges-
tern und heute erschienen noch nicht einmal alle bei
Tisch, und vielleicht leiden einige an der Seekrankheit.
Noch habe ich sie nicht einmal alle gesehen, weiß aber,
daß sich unter den Passagieren zwei Damen befinden,
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die in der hintersten Kabine wohnen, deren Fenster im
Spiegel des Fahrzeugs angebracht sind.
Hier folge eine Liste, wie ich sie der Schiffsrolle ent-
nehme:
Mr. und Mrs. Kear, Amerikaner, aus Buffalo;
Miss Herbey, Engländerin, Gesellschaftsdame von
Mrs. Kear;
Mr. Letourneur und Sohn, André Letourneur, Fran-
zosen, aus Le Havre;
William Falsten, Ingenieur aus Manchester, und John
Ruby, Kaufmann aus Cardiff, beide Engländer, endlich
J. R. Kazallon aus London, der Verfasser dieser Zeilen.
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29. September. – Das Konnossement des Kapitän Huntly,
d.h. die Akte, in der die in der ›Chancellor‹ verladenen
Waren aufgeführt und die Frachtbedingungen festge-
stellt sind, lautet wörtlich folgendermaßen:
»Herren Bronsfield u. Co., Kommissionäre,
Charleston.
Ich, John Silas Huntly aus Dundee (Schottland),
Kommandant des Schiffes Chancellor, 900 Tonnen Last,
gegenwärtig in Charleston, um mit dem ersten güns-
tigen Wind auf kürzestem Weg und unter dem Schutz
Gottes abzufahren und bis vor die Stadt Liverpool zu
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segeln, – bekenne hiermit von den Herren Bronsfield &
Co., Handelskommissionären in Charleston, unter das
sonst leere Oberdeck des erwähnten Schiffes 1.700 Bal-
len Baumwolle im Wert von 26.000 Pfd. Sterl.*, alles in
gutem Zustand, markiert und numeriert laut Buch, an-
geliefert erhalten zu haben, welche Waren ich, abgesehen
von den Gefahren und Zufällen des Meeres, in bestem
Zustand in Liverpool an die Herren Gebr. Leard oder
deren Ordre abliefern und mich für meine Frachtspe-
sen mit 2.000 Pfd. Sterl.,** nicht mehr, laut Charterbrief
bezahlt machen werde; Havarieschäden nach Seege-
brauch und
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