Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
das ist nicht möglich.
    In der Tat erscheint die Haltung des Kapitäns et-
    was schwerfällig, sein Körper ziemlich abgespannt.
    Er ist nachlässig, das sieht man an seinem unsicheren
    Blick, den passiven Bewegungen der Arme und seinem
    Schwanken, bei dem er von einem Bein auf das andere
    fällt. Dieser Mann ist nicht energisch, kann es nicht sein,
    nicht einmal starrköpfig, denn seine Augen haben kein
    Feuer, sein Kinn ist fein und weich und seine Hände
    scheinen sich gar nicht ballen zu können; außerdem
    fällt mir an ihm noch ein eigentümliches Wesen auf, das
    ich mir noch nicht zu erklären vermag, doch werde ich
    ihm auch ferner diejenige Aufmerksamkeit schenken,
    die der Befehlshaber eines Schiffes verdient, auf dem er
    sich »nach Gott den nächsten« nennt.
    Wenn ich nicht irre, befindet sich aber zwischen Gott
    und Silas Huntly noch ein anderer an Bord, der gege-
    benenfalls eine hervorragende Stelle einzunehmen be-
    stimmt scheint, das ist der zweite Offizier der ›Chancel-
    lor‹, den ich noch nicht genügend studiert habe und von
    dem zu sprechen ich mir für später vorbehalte.
    Die Besatzung der ›Chancellor‹ besteht aus Kapitän
    Huntly, dem zweiten Offizier Robert Kurtis, dem Leut-
    nant Walter, einem Hochbootsmann und 14 Matrosen,
    lauter Engländer oder Schotten, zusammen also 18 See-

    — 9 —
    — 10 —
    leute, – eine Anzahl, die zur Führung eines Dreimasters
    von 900 Tonnen Gehalt völlig hinreichend ist. Die Män-
    ner scheinen ihr Geschäft alle gut zu verstehen. Was ich
    bis jetzt davon sah, beschränkte sich freilich darauf, daß
    sie unter dem Kommando des zweiten Offiziers in dem
    engen Fahrwasser vor Charleston sehr geschickt manö-
    vrierten.
    Ich vervollständige das Verzeichnis der auf der ›Chan-
    cellor‹ eingeschifften Personen durch Erwähnung des
    Steward Hobbart, des Negerkochs Jynxtrop und durch
    Hinzufügung einer Liste der Passagiere.
    Von letzteren zähle ich, wenn ich mich mitrechne,
    8 Personen. Noch kenne ich sie kaum, doch werden die
    Eintönigkeit einer längeren Überfahrt, die kleinen Vor-
    kommnisse jedes Tages, die unumgängliche Berührung
    mehrerer auf so engem Raum zusammen wohnender
    Leute, das natürliche Bedürfnis, seine Gedanken aus-
    zutauschen und die dem Menschenherzen eingeborene
    Neugier uns zeitig genug einander näherbringen. Bis
    jetzt haben uns noch der Wirrwarr der Einschiffung, die
    Besitznahme der Kabinen, die Einrichtungen, die eine
    Reise von 3 bis 4 Wochen nötig macht, und verschiede-
    nerlei andere Geschäfte voneinander ferngehalten. Ges-
    tern und heute erschienen noch nicht einmal alle bei
    Tisch, und vielleicht leiden einige an der Seekrankheit.
    Noch habe ich sie nicht einmal alle gesehen, weiß aber,
    daß sich unter den Passagieren zwei Damen befinden,
    — 11 —
    die in der hintersten Kabine wohnen, deren Fenster im
    Spiegel des Fahrzeugs angebracht sind.
    Hier folge eine Liste, wie ich sie der Schiffsrolle ent-
    nehme:
    Mr. und Mrs. Kear, Amerikaner, aus Buffalo;
    Miss Herbey, Engländerin, Gesellschaftsdame von
    Mrs. Kear;
    Mr. Letourneur und Sohn, André Letourneur, Fran-
    zosen, aus Le Havre;
    William Falsten, Ingenieur aus Manchester, und John
    Ruby, Kaufmann aus Cardiff, beide Engländer, endlich
    J. R. Kazallon aus London, der Verfasser dieser Zeilen.
    3
    29. September. – Das Konnossement des Kapitän Huntly,
    d.h. die Akte, in der die in der ›Chancellor‹ verladenen
    Waren aufgeführt und die Frachtbedingungen festge-
    stellt sind, lautet wörtlich folgendermaßen:
    »Herren Bronsfield u. Co., Kommissionäre,
    Charleston.
    Ich, John Silas Huntly aus Dundee (Schottland),
    Kommandant des Schiffes Chancellor, 900 Tonnen Last,
    gegenwärtig in Charleston, um mit dem ersten güns-
    tigen Wind auf kürzestem Weg und unter dem Schutz
    Gottes abzufahren und bis vor die Stadt Liverpool zu
    — 12 —
    segeln, – bekenne hiermit von den Herren Bronsfield &
    Co., Handelskommissionären in Charleston, unter das
    sonst leere Oberdeck des erwähnten Schiffes 1.700 Bal-
    len Baumwolle im Wert von 26.000 Pfd. Sterl.*, alles in
    gutem Zustand, markiert und numeriert laut Buch, an-
    geliefert erhalten zu haben, welche Waren ich, abgesehen
    von den Gefahren und Zufällen des Meeres, in bestem
    Zustand in Liverpool an die Herren Gebr. Leard oder
    deren Ordre abliefern und mich für meine Frachtspe-
    sen mit 2.000 Pfd. Sterl.,** nicht mehr, laut Charterbrief
    bezahlt machen werde; Havarieschäden nach Seege-
    brauch und

Weitere Kostenlose Bücher