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Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Herkommen. Zur Bekräftigung dieses habe
    ich verpflichtet und verpflichte hiermit meine Person,
    mein Vermögen und das genannte Fahrzeug mit allem
    Zubehör.
    Zu dem Zweck habe ich drei gleichlautende Konnos-
    semente unterzeichnet und es sollen nach Erledigung
    eines derselben die anderen null und nichtig sein.
    Geschehen zu Charleston, am 13. Sept. 1869.
    J. S. Huntly.«
    Die ›Chancellor‹ führt also 1.700 Ballen Baumwolle
    nach Liverpool. Absender: Bronsfield & Co. in Charles-
    ton. Empfänger: Gebrüder Leard in Liverpool.
    * 520.000 Mark.
    ** 40.000 Mark.
    — 13 —
    Da das Schiff eigens zum Baumwolltransport einge-
    richtet ist, wurde die Ladung mit größter Sorgfalt ver-
    staut. Bis auf einen kleinen für das Passagiergepäck frei-
    gelassenen Teil nehmen die Ballen den ganzen Fracht-
    raum ein und bilden, da sie mittels Winden sehr fest
    verschnürt sind, nur eine äußerst kompakte Masse. Kein
    Eckchen des Frachtraums ist auf diese Weise ungenutzt
    geblieben, ein günstiger Umstand für ein Schiff, das da-
    bei seine volle Warenladung aufzunehmen vermag.
    4
    30. September bis 6. Oktober. – Die ›Chancellor‹ ist ein
    schneller Segler, der viele Schiffe von gleicher Größe
    leicht überholen würde, und seitdem die Brise aufge-
    frischt hat, läßt er einen langen, kaum übersehbaren
    Streifen wirbelnden Kielwassers hinter sich, so daß man
    ein langes weißes Spitzengewebe, das auf dem Meer wie
    auf blauem Untergrund hingebreitet läge, zu sehen ver-
    meint.
    Der Ozean ist vom Wind nur wenig bewegt. So viel
    ich weiß, wird niemand an Bord von dem Schwanken
    und Stampfen des Schiffes besonders belästigt. Übri-
    gens befindet sich keiner der Passagiere auf der ersten
    Überfahrt und alle sind mehr oder weniger mit dem
    Meer vertraut. Zur Zeit des Essens bleibt jetzt kein Platz
    am Tisch leer.
    — 14 —
    Zwischen den Passagieren knüpfen sich allmählich
    Verbindungen an und das Leben an Bord gestaltet sich
    weniger einförmig. Der Franzose, Mr. Letourneur, und
    ich, wir plaudern häufiger miteinander.
    Mr. Letourneur ist ein Mann von 50 Jahren, hohem
    Wuchs, weißem Haar und ergrauendem Bart. Er er-
    scheint noch älter, als er wirklich ist, – eine Folge lang-
    jährigen Kummers, der an ihm nagte und ihn auch
    heute noch verzehrt. Offenbar trägt dieser Mann eine
    nie versiegende Quelle der Traurigkeit mit sich herum,
    was man an seinem herabgekommenen Körper und
    dem häufig auf die Brust niedersinkenden Kopf leicht
    erkennt.
    Nie lacht er, nur selten lächelt er, und dann nur sei-
    nem Sohn gegenüber. Seine Augen sind sanft, blicken
    aber stets nur wie durch einen feuchten Schleier. Sein
    Gesicht verrät eine ganz charakteristische Mischung
    von Kümmernis und Liebe, und seine ganze Erschei-
    nung atmet eine gewisse wohlwollende Güte.
    Man kommt auf den Gedanken, daß Mr. Letourneur
    über irgendein unverschuldetes Unglück traure.
    So ist es auch; doch wer sollte kein schmerzliches
    Mitgefühl empfinden, wenn er die wirklich übertriebe-
    nen Vorwürfe hört, die er sich als »Vater« selbst macht!
    Mr. Letourneur ist nämlich mit seinem etwa 20jäh-
    rigen Sohn André, einem sanften, einnehmenden jun-
    gen Mann, an Bord. Dieser hat zwar im Gesicht einige
    — 15 —
    Ähnlichkeit mit seinem Vater, aber – und das ist eben
    die Ursache des nie gestillten Schmerzes des letzteren, –
    André ist gebrechlich. Sein linkes, stark nach außen ver-
    renktes Bein zwingt ihn zu hinken, so daß er ohne Stock,
    auf den er sich stützt, gar nicht gehen kann.
    Der Vater betet sein Kind an, und man sieht, daß sein
    ganzes Leben jenem unglücklichen Wesen gewidmet ist.
    Er leidet durch das angeborene Gebrechen des Sohnes
    weit mehr, als sein Sohn selbst, und erbittet von diesem
    wohl dann und wann Verzeihung! Seine Hingebung ge-
    gen André äußert sich jeden Augenblick von neuem. Er
    verläßt ihn nicht, belauscht seine geheimsten Wünsche,
    achtet auf alles, was jener tut. Seine Arme gehören mehr
    dem Sohn, als ihm selbst, sie umschlingen ihn und un-
    terstützen ihn, wenn sich der junge Mann auf dem Ver-
    deck der ›Chancellor‹ ergeht.
    Mr. Letourneur hat sich mir enger angeschlossen,
    und spricht unausgesetzt von seinem Kind.
    Heute sprach ich ihn folgendermaßen an:
    »Eben komme ich von Mr. André. Sie haben einen
    guten Sohn, Mr. Letourneur, er ist ein begabter und un-
    terrichteter junger Mann.«
    »Jawohl, Mr. Kazallon«, antwortet mir Mr. Letour-
    neur, dessen Lippen ein schwaches

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