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Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Ration überließ. Das gefühlvolle und mit-
    leidige junge Mädchen tut alles mögliche, um die Leiden
    unseres unglücklichen Genossen wenn nicht zu stillen,
    so doch zu lindern.
    Heute sprach mich Miss Herbey auch selbst an.
    »Dieser Unglückliche wird tagtäglich schwächer«,
    begann sie.
    »Ja, Miss«, habe ich geantwortet, »und wir können
    nichts für ihn tun, gar nichts!«
    »Vorsichtig«, bittet Miss Herbey, »er könnte uns hö-
    ren!«
    Dann setzt sie sich ganz an das Ende des Floßes und
    ergibt sich, den Kopf in den Händen, ihren Gedanken.
    Auch noch etwas recht Bedauerliches ist heute vorge-
    kommen, was ich nicht übergehen darf.
    Eine Stunde lang standen die Matrosen Owen, Flay-
    pol, Burke und der Neger Jynxtrop in eifrigem, aber
    heimlich geführtem Gespräch zusammen, wobei sich
    ihre Erregtheit durch die lebhaftesten Gestikulationen
    verriet. Nach dessen Beendigung begibt sich Owen ganz
    ohne Umstände nach dem für die Passagiere reservier-
    ten Heck des Floßes.
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    »Wohin willst du, Owen?« fragt ihn der Hochboots-
    mann.
    »Dahin, wo ich etwas zu tun habe«, antwortet der
    Matrose frech.
    Bei dieser unverschämten Antwort verläßt der Hoch-
    bootsmann seinen Platz, doch schon vor ihm steht Ro-
    bert Kurtis Owen Auge in Auge gegenüber.
    Der Matrose erträgt den zornflammenden Blick sei-
    nes Vorgesetzten und beginnt mit frechem Ton:
    »Kapitän, ich habe mit Ihnen im Namen meiner Ka-
    meraden zu sprechen.«
    »Sprich«, erwidert Robert Kurtis kurz und bündig.
    »Es geht um den Branntwein«, fährt Owen fort. »Sie
    wissen, das kleine Fäßchen . . . Wird das für die Tümm-
    ler oder für die Offiziere aufgehoben?«
    »Nun . . .?« sagt Robert Kurtis.
    »Wir verlangen jeden Morgen wie sonst gewöhnlich
    unseren Schluck.«
    »Nein«, antwortet der Kapitän.
    »Was sagen Sie?« ruft Owen.
    »Nochmals: Nein!«
    Der Matrose blickt Robert Kurtis scharf an und ein
    boshaftes Lächeln umspielt seine Lippen. Er zaudert
    einen Augenblick, ob er seine Forderung wiederholen
    soll, doch zieht er sich, ohne ein Wort hinzuzufügen, zu-
    rück und mischt sich unter seine Kameraden, mit denen
    er heimlich spricht.
    — 191 —
    Hat Robert Kurtis wohl recht daran getan, jenes Ver-
    langen so rundweg abzuschlagen? Das wird die Zukunft
    noch lehren.
    Als ich ihn über die Sache sprach, antwortet er mir:
    »Diesen Leuten noch Branntwein? Lieber werfe ich
    das Fäßchen ins Meer!«
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    21. Dezember. – Jener Zwischenfall hat, wenigstens bis
    heute, weitere Folgen noch nicht gehabt.
    Während einiger Stunden zeigen sich die Seebras-
    sen wieder längs des Floßes, und wieder fängt man eine
    große Anzahl. Man schichtet sie in ein leeres Faß ein,
    und dieser Zuwachs an Nahrungsmitteln läßt uns hof-
    fen, daß wir wenigstens vom Hunger verschont bleiben
    werden.
    Der Abend ist gekommen, doch ohne die gewöhn-
    liche Frische. Gewöhnlich sind nämlich die Nächte in
    den Tropen kühl, die heutige droht aber erstickend zu
    werden, und schwere Dunstmassen steigen langsam aus
    den Fluten. Morgens um 1 Uhr 30 wird Neumond sein.
    Tief dunkel bleibt es auch bis zu dem Augenblick, da
    ein fernes Wetterleuchten anfängt, den Horizont zu er-
    hellen.
    Es treten lang und breit hinschießende elektrische
    Entladungen auf, die ungeheure Strecken in Flammen
    — 192 —
    setzen. Von Donner ist aber keine Spur, und die ganze
    Luft erscheint vielmehr erschreckend ruhig.
    2 Stunden lang, während der wir immer nach einem
    weniger glühenden Lüftchen schmachten, betrachten
    Miss Herbey, André Letourneur und ich jene Vorläufer
    eines Ungewitters, gewissermaßen die Vorversuche der
    Natur, und vergessen ganz unsere augenblickliche Lage
    über der Bewunderung des großartigen Schauspiels ei-
    nes Kampfes zwischen den mit Elektrizität geschwän-
    gerten Wolken. Man hätte hohe, mit Feuer gekrönte
    Zinnen zu sehen vermeint. Auch der roheste Mensch
    ist für diese furchtbaren Szenen empfänglich, und so
    wie wir, sehe ich auch die Matrosen nach der unauf-
    hörlichen Feuererscheinung in den Wolken aufschauen.
    Ohne Zweifel betrachten sie diese »Streiflichter«, wie
    sie wegen ihrer fortwährenden Ortsveränderung nicht
    selten genannt werden, als Vorboten eines elementaren
    Kampfes nicht ohne eine gewisse Unruhe. Was wird aus
    dem Floß werden, mitten zwischen der Wut des Him-
    mels und des Wassers?
    Bis Mitternacht bleiben wir so am Heck sitzen. Die
    leuchtenden Ausströmungen, deren Helligkeit die
    dunkle

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