Die Chancellor
besser, von einem Toten zu essen, als von
einem Lebendigen«!
Wer weiß aber, ob dieser Auftritt nicht die Einleitung
zu noch schrecklicheren sein wird, die das Floß mit Blut
besudeln könnten!
Ich teile André Letourneur meine Gedanken mit, aber
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ich vermochte das Entsetzen nicht zu unterdrücken, das
bei ihm seinen Höhepunkt erreicht und alle seine Qua-
len verstummen läßt.
Aber man bedenke, wir sterben vor Hunger, und acht
unserer Gefährten können nun diesem grausamen Tod
vielleicht entgehen!
Hobbart war, Dank seinen versteckten Vorräten, der
Wohlgenährteste von uns. Keine organische Krankheit
hat sein Körpergewebe verändert, in voller Gesundheit
ist er durch einen Gewaltstreich aus dem Leben ge-
schieden . . .!
Doch zu welcher entsetzlichen Schlußfolgerung läßt
sich mein Geist hinreißen? Wohin gerate ich? Flößen
mir jene Kannibalen jetzt mehr Vergnügen oder mehr
Abscheu ein?
In diesem Augenblick erhebt einer davon seine
Stimme. Es ist Daoulas, der Zimmermann.
Er spricht davon, Meerwasser zu verdampfen, um
Salz zu gewinnen.
»Und das Übrigbleibende salzen wir ein«, sagt er.
»Ja«, antwortet der Hochbootsmann.
Dann wird es still. Der Vorschlag des Zimmermanns
ist ohne Zweifel angenommen worden, denn ich höre
nichts mehr. Tiefes Schweigen herrscht wieder an Bord
des Floßes, und ich schließe daraus, daß meine Gefähr-
ten schlafen.
Sie haben jetzt keinen Hunger mehr.
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19. Januar. – Während dieses Tages derselbe Himmel,
dieselbe Temperatur, und auch die Nacht kommt heran,
ohne eine Änderung in diesem Zustand herbeizufüh-
ren. Nicht einige Stunden habe ich schlafen können.
Gegen Morgen höre ich Zornesrufe an Bord.
Die Herren Letourneur und Miss Herbey, die sich
mit mir unter demselben Zeltdach aufhalten, erheben
sich. Ich schlage die Leinwand zurück und sehe nach,
was vorgeht.
Der Hochbootsmann, Daoulas und die anderen Ma-
trosen sind in furchtbarer Aufregung. Robert Kurtis, der
im Heck sitzt, springt auf und sucht jene, nachdem er
sich nach der Ursache ihres Zorns erkundigt hat, zu be-
ruhigen.
»Nein! Nein! Wir müssen wissen, wer uns das ange-
tan hat«, ruft Daoulas und schleudert wilde Blicke um
sich herum.
»Ja«, fällt der Hochbootsmann ein, »es ist ein Dieb
hier, da unsere Überbleibsel verschwunden sind.«
»Ich war es nicht!« – »Ich auch nicht!« antworten die
Matrosen einer nach dem andern.
Ich sehe die Unglücklichen alle Ecken durchsuchen,
die Segel aufheben, die Planken der Plattform verschie-
ben. Ihre Wut wächst nur, je länger sie vergeblich su-
chen.
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Der Hochbootsmann kommt auf mich zu.
»Sie müssen den Dieb kennen«, sagt er.
»Den Dieb von was? Ich weiß nicht, wovon Sie spre-
chen«, habe ich ihm geantwortet.
Daoulas und einige andere Matrosen nähern sich.
»Wir haben das ganze Floß durchwühlt«, sagt Daou-
las, »jetzt ist nur noch dieses Zelt zu untersuchen . . .«
»Niemand von uns hat dieses Zelt verlassen, Daou-
las.«
»Wir müssen nachsehen.«
»Nein, laßt die in Ruhe, die nah dran sind, vor Hun-
ger zu sterben!«
»Mr. Kazallon«, sagt der Hochbootsmann in ruhigem
Ton zu mir, »wir beschuldigen Sie nicht . . . wenn einer
von Ihnen sich seinen Teil genommen hätte, den er ges-
tern verschmähte, so wäre das ja sein Recht. Aber alles
ist abhanden gekommen, alles, Sie verstehen mich!«
»Untersuchen wir das Zelt!« ruft Sandon.
Die Matrosen dringen vor, und ich vermag den Un-
glücklichen, die der Zorn verblendet, nicht zu wehren.
Eine schreckliche Furcht erfaßt mich . . . sollte Mr. Le-
tourneur nicht für sich, doch für seinen Sohn das viel-
leicht getan haben . . .? Wenn es der Fall ist, werden diese
Furien ihn zerreißen.
Ich sehe Robert Kurtis an, wie um von ihm Schutz zu
erbitten, und der Kapitän stellt sich auf meine Seite. Er
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hält beide Hände in den Taschen, doch vermute ich, daß
er darin eine Waffe habe.
Inzwischen haben Miss Herbey und die Herren Le-
tourneur auf Anordnung des Hochbootsmanns das Zelt
verlassen müssen, das man bis in die geheimsten Winkel
durchsucht – doch zum Glück vergebens.
Offenbar sind die Reste Hobbarts, da man sie nir-
gends findet, ins Meer geworfen worden.
Der Hochbootsmann, der Zimmermann und die Ma-
trosen überlassen sich der wütendsten Verzweiflung.
Doch wer hat das getan? Ich sehe Miss Herbey an,
Mr. Letourneur, und ihre Blicke antworten mir, daß
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