Die Chaosschwestern legen los - Mueller, D: Chaosschwestern legen los

von Aurora zu knacken, geht bestimmt ganz einfach. Dafür bräuchte ich bestimmt nirgendwo runterzuspringen. Eigentlich bräuchte ich sie, genau wie Tessa, doch ebenfalls bloß den ganzen Tag zu beschatten.
     
    Und dann ist da auch noch Gregory. Der sollte doch glücklich sein, so eine berühmte Mutter zu haben. Ist er aber anscheinend nicht.
    Gregory scheint jedenfalls viel, viel glücklicher zu sein, seit wir hier eingezogen sind. Seit Kurzem lächelt er sogar ab und zu mal. Ich dachte schon, er ist genauso ein miesmuscheliger Typ wie Miesmuschel Livi. Aber nein, er lacht und macht echt komische Witze. Richtig nett wird der allmählich! Hat der zu Hause mit seiner Fernseh-Mutter etwa keinen Grund zu lachen?
    Aber das allergeheimnisvollste Geheimnis zurzeit ist doch tatsächlich Livi! Livi ist nämlich seit genau Montagnachmittag nach der Schule – und das sind heute am Freitag immerhin schon vier Tage – NICHT MEHR miesmuschelig!
    Dabei kann ich mich meerwasserklar erinnern, wie sie am Montag mit uns am Frühstückstisch gesessen hat. Mit der allerdüstersten Livilaune, die man sich vorstellen kann. Richtig leidgetan hat sie mir, so schrecklich hat sie ausgesehen. Und als sie dann nicht mal Kuchen abgekriegt hat, habe ich echt darüber nachgedacht, ob wir vielleicht wirklich alle nicht nett genug zu Livi sind. Ich meine, hätte
ja sein können. Man kann ja nicht immer und immerzu daran denken, nett zu sein.
    Aber plötzlich? Plötzlich lächelt Livi und lacht und singt und pfeift und trällert und summt und lächelt und lächelt und lächelt. Ganz ohne dass sie Pflaumenkuchen gekriegt hat. So doll, dass einem ganz angst und bange wird. Denn dass Livi solch bedenklich gute Laune hat, das ist eine so riesige Sensation, dass es kaum mit rechten Dingen zugehen kann. Ist Livi in einen Gute-Laune-Zaubertrank gefallen? Hat sie völlig vergessen, sich um das Ozonloch und die Abholzung des Regenwaldes Sorgen zu machen?
    Ich meine, ich persönlich finde ja, dass man sich sowieso viel besser mit guter Laune um die Probleme in der Welt kümmern kann. Aber Livi schien ja bis jetzt immer zu glauben, dass man mit jedem Lächeln beinahe schon selber einen Baum abgeholzt hat. Daher hat sie das natürlich gründlich vermieden.
    Und jetzt? Nix mehr Livi Miesmuschel. Nur noch Livi Strahlesternchen, Livi Trallali und Trallala, Livi Sonnenschein. Hurra!
    Wenn ich sie sehe, wird mir selber ganz warm und wohlig im Bauch, auch wenn ich mich vorher ganz elend oder schlechtlaunig gefühlt habe.
    Das ist echt merkwürdig. Ich meine, dass man sich so gut fühlt, bloß weil jemand anderes sich gut fühlt. Und dann fällt mir wieder ein, was mir am Montag passiert ist, und ich denke darüber nach.
    Das mit meinem Shirt meine ich. Als ich mich gefragt habe, ob Dinge immer das werden, was andere Menschen in ihnen sehen. Weil, es war ja irgendwie so, dass mein Shirt plötzlich ein kleines bisschen hässlicher und älter aussah, bloß weil Miri und Brenda und Lasse und
Sophie es hässlich fanden. Färbt die Meinung also immer ab?
    So wie Livis gute Laune jetzt abfärbt?
    Dass gute Laune abfärbt, finde ich ja gut. Aber dass Dinge schlechter werden, bloß weil andere sie schlecht finden, das ist natürlich saublöd.
    Und mir wird gerade klar, dass man da doll aufpassen muss, dass man sich dagegen wehrt. Innerlich, meine ich. Dass man nicht vergisst, dass das vielleicht gar nicht stimmt, was andere über etwas sagen.
    Oder anders gesagt: Dass Miri, Brenda, Sophie und Lasse mein Shirt immer und ewig so hässlich finden können, wie sie nur wollen, dass es aber dadurch noch lange nicht WIRKLICH hässlich ist. Und auch nicht wird.
    Ja.
    Da fällt mir ein, dass ich mein superschönes Batik-Shirt vielleicht doch noch mal anziehen könnte. So kalt ist es draußen eigentlich ja doch noch nicht.
    Aber Hauptsache, Livi geht es gut. Warum auch immer!
    Na ja, allerdings... würde ich das doch ganz gerne wissen …
    »Ist irgendwas passiert?«, hab ich vorhin auf der Treppe mal so ganz beiläufig gefragt.
    »Passiert? Nö, wieso? Was soll denn passiert sein?«, hat Livi geantwortet und dabei so sonnenhell gelächelt, dass man im Flur gar kein Licht mehr anzuknipsen brauchte.
    Mehr hat sie leider nicht gesagt. Und sie sieht auch nicht so aus, als ob sie in nächster Zeit freiwillig mehr sagen würde.
    Ja, bei Livi ist auf jeden Fall das Lächelzeitalter angebrochen. Aber warum? Ich meine, hat jemand das Ozonloch zugeklebt, ohne dass die restliche Welt davon