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Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Leiche zugewiesen bekommen«, sagte Kahn. »Er und seine Laborpartner hatten mit der Beckensektion begonnen und die Blase sowie den Uterus freigelegt. Die Organe sollten nicht entfernt, sondern nur bloßgelegt werden. An diesem Sonntagabend war Warren gekommen, um die Arbeit zu vollenden. Aber aus einer sorgfältigen Sektion wurde eine wüste Verstümmelung. Er legte die Organe nicht nur frei, sondern er schnitt sie heraus. Zuerst trennte er die Blase heraus und ließ sie zwischen den Beinen der Leiche liegen. Dann riss er die Gebärmutter heraus. Er tat das alles ohne Handschuhe, als wollte er die Organe auf seiner Haut spüren. Und so habe ich ihn angetroffen. In der einen Hand hielt er das triefende Organ. Und mit der anderen Hand …« Kahn war so angewidert, dass ihm die Stimme versagte.
    Was Kahn nicht über die Lippen bringen konnte, stand schwarz auf weiß auf der Seite, die Moore jetzt las. Moore beendete den Satz für ihn. »… masturbierte er.«
    Kahn ging zu seinem Schreibtisch und ließ sich auf den Sessel sinken. »Das ist der Grund, weshalb ich nicht zulassen konnte, dass er seinen Abschluss machte. Mein Gott, was für ein Arzt wäre denn aus ihm geworden? Wenn er einer Leiche so etwas antun konnte, was würde er dann erst mit lebenden Patientinnen anstellen?«
    Ich weiß, was er anstellt. Ich habe sein Werk mit eigenen Augen gesehen.
    Moore wandte sich der dritten Seite von Hoyts Akte zu und las den letzten Absatz von Dr. Kahns Memorandum.
     
    Mr. Hoyt willigt ein, freiwillig aus der medizinischen Fakultät auszuscheiden, und zwar mit Wirkung von morgen früh acht Uhr. Im Gegenzug werde ich über diesen Vorfall Stillschweigen bewahren. Aufgrund der Verstümmelung des Leichnams werden seine Laborpartner von Tisch 19 für diese Phase der Sektion anderen Teams zugewiesen.
     
    Laborpartner.
    Moore sah Kahn an. »Wie viele Laborpartner hatte Warren?«
    »An jedem Tisch arbeiten vier Studenten.«
    »Und wer waren die anderen drei?«
    Kahn runzelte die Stirn. »Das weiß ich nicht mehr. Es ist schließlich sieben Jahre her.«
    »Sie führen darüber nicht Buch?«
    »Nein.« Er überlegte kurz. »Ich erinnere mich allerdings an eine junge Frau, die seine Laborpartnerin war.« Er drehte sich zu seinem Computer um und rief die Dateien mit den Immatrikulationslisten auf. Warren Hoyts Erstsemesterjahrgang erschien auf dem Monitor. Kahn überflog die Namensliste und sagte dann: »Da ist sie. Emily Johnstone. An die erinnere ich mich noch.«
    »Warum?«
    »Nun ja, zunächst einmal, weil sie wirklich entzückend aussah. Eine Meg-Ryan-Doppelgängerin. Und außerdem wollte sie wissen, wieso Warren sein Studium abgebrochen hatte. Ich mochte ihr den Grund nicht sagen, und da rückte sie mit der Sprache heraus und fragte, ob es irgendetwas mit Frauen zu tun habe. Anscheinend war er Emily auf dem Campus nachgestiegen, und es war ihr allmählich nicht mehr geheuer. Versteht sich, dass sie erleichtert war, als er aus der Fakultät ausschied.«
    »Halten Sie es für denkbar, dass sie sich an ihre beiden anderen Laborpartner erinnert?«
    »Möglich wär's.« Kahn griff nach dem Telefon und rief im Büro für studentische Angelegenheiten an. »Hallo, Winnie. Haben Sie die aktuelle Telefonnummer von Emily Johnstone?« Er nahm einen Stift, notierte sich die Nummer und legte auf. »Sie arbeitet in einer Praxis in Houston«, sagte er, während er erneut wählte. »Dort ist es jetzt elf Uhr, da dürfte sie in der Praxis sein … Hallo, Emily? Hier spricht eine Stimme aus Ihrer Vergangenheit. Dr. Kahn von der Emory University. Genau, das Anatomielabor. Graue Vorzeit, was?«
    Moore beugte sich vor. Sein Puls begann zu rasen.
    Als Kahn schließlich auflegte und ihn anschaute, konnte Moore die Antwort an seinen Augen ablesen.
    »Sie erinnert sich tatsächlich an ihre beiden anderen Laborpartner«, sagte Kahn. »Die eine war eine Studentin namens Barb Lippman. Und der andere …«
    »Capra?«
    Kahn nickte. »Der vierte Laborpartner war Andrew Capra.«

22
    Catherine blieb in der Tür von Peters Büro stehen. Er saß an seinem Schreibtisch und merkte nicht, dass sie ihn beobachtete, während sein Füllfederhalter über das Papier eines Krankenblatts kratzte. Sie hatte sich nie wirklich die Zeit genommen, ihn in Ruhe zu betrachten, und als sie es jetzt tat, musste sie trotz allem lächeln. Er war voll auf seine Arbeit konzentriert, das Musterbild des engagierten Arztes – bis auf ein einziges merkwürdiges Detail: den Papierflieger

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