Die Chirurgin
auf dem Fußboden. Peter und seine verrückten fliegenden Kisten.
Sie klopfte an den Türrahmen. Er drehte sich um und blinzelte sie überrascht über den Brillenrand hinweg an.
»Kann ich dich kurz sprechen?«, fragte sie.
»Natürlich. Komm rein.«
Sie setzte sich ihm gegenüber an den Schreibtisch. Er sagte nichts und wartete geduldig, bis sie das Wort ergriff. Sie hatte den Eindruck, dass er nicht von der Stelle gewichen wäre, ganz gleich, wie viel Zeit sie sich gelassen hätte. Er hätte auf sie gewartet.
»Zwischen uns hat es … einige Spannungen gegeben«, sagte sie.
Er nickte.
»Ich weiß, dass es dir genauso viel ausmacht wie mir. Und es macht mir sehr viel aus. Weil ich dich immer gemocht habe, Peter. Es hat vielleicht nicht den Anschein, aber es ist so.« Sie holte Luft, während sie nach den richtigen Worten suchte. »Diese Probleme zwischen uns, die haben gar nichts mit dir zu tun. Es liegt alles nur an mir. In meinem Leben herrscht zur Zeit ein solches Chaos. Es ist schwer zu erklären.«
»Das musst du auch nicht.«
»Es ist bloß – ich merke, dass wir auseinander driften. Nicht nur als Kollegen, auch als Freunde. Es ist schon komisch, dass ich diese Freundschaft zwischen uns nie so richtig wahrgenommen habe. Ich wusste nicht, wie viel sie mir bedeutet, bis ich plötzlich das Gefühl hatte, dass sie mir entgleitet.« Sie stand auf. »Also, es tut mir jedenfalls Leid. Das wollte ich nur gesagt haben.«
Sie ging auf die Tür zu.
»Catherine«, sagte er leise. »Ich weiß Bescheid über Savannah.«
Sie fuhr herum und starrte ihn an. Er sah ihr fest in die Augen.
»Detective Crowe hat es mir gesagt«, fügte er hinzu.
»Wann?«
»Vor ein paar Tagen, als ich mich mit ihm über den Einbruch in unserer Praxis unterhielt. Er nahm an, ich wüsste es schon.«
»Du hast nichts davon gesagt.«
»Es stand mir nicht zu, das Thema anzuschneiden. Ich wollte, dass du es mir aus freien Stücken erzählst. Ich wusste, du brauchst Zeit, und ich war bereit, so lange zu warten, bis du das Gefühl hattest, mir vertrauen zu können.«
Sie stieß einen Seufzer aus. »Na schön. Dann weißt du also jetzt das Schlimmste von mir.«
»Nein, Catherine.« Er stand auf und blickte sie unverwandt an. »Ich weiß das Beste von dir! Ich weiß, wie stark du bist, wie tapfer. Die ganze Zeit hatte ich doch keine Ahnung, womit du fertig werden musstest. Du hättest es mir sagen können. Du hättest dich mir anvertrauen können.«
»Ich dachte, es würde alles zwischen uns verändern.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Ich will nicht, dass du Mitleid mit mir hast. Ich will niemals von irgendjemand bedauert werden.«
»Wofür denn auch? Dafür, dass du dich gewehrt hast? Dass du so gut wie keine Chance gehabt und sie trotzdem genutzt und überlebt hast? Warum zum Henker sollte ich Mitleid mit dir haben?«
Sie kämpfte gegen die Tränen an. »Andere Männer würden so reagieren.«
»Dann kennen sie dich nicht wirklich. Nicht so wie ich dich kenne.« Er ging um seinen Schreibtisch herum und trat auf sie zu. »Erinnerst du dich noch an den Tag, als wir uns das erste Mal begegnet sind?«
»Als ich zu meinem Vorstellungsgespräch kam?«
»Woran erinnerst du dich?«
Sie schüttelte verwirrt den Kopf. »Wir haben uns über die Praxis unterhalten. Darüber, wie ich mich hier zurechtfinden würde.«
»Du hast unser Treffen also nur als eine dienstliche Besprechung in Erinnerung?«
»Das war es ja auch.«
»Komisch. Ich denke ganz anders darüber. Ich kann mich kaum noch erinnern, was für Fragen ich dir gestellt habe, oder was du mich gefragt hast. Was ich noch weiß, ist, wie ich von meinem Schreibtisch hochschaute und dich hereinkommen sah. Und ich war von den Socken. Mir wollte nichts einfallen, was nicht entweder banal oder albern oder einfach hundsgewöhnlich geklungen hätte. Ich wollte kein hundsgewöhnlicher Typ sein, nicht in deinen Augen. Ich dachte: Das ist eine Frau, die alles hat. Sie ist klug und sie ist schön. Und sie steht direkt vor mir.«
»Ach Gott, da hast du aber schwer danebengelegen. Ich hatte überhaupt nicht alles.« Wieder blinzelte sie, weil ihr die Tränen in die Augen stiegen. »Das hatte ich noch nie. Im Gegenteil, ich schaffe es gerade mal, nicht im Chaos zu versinken …«
Wortlos nahm er sie in die Arme. Es war eine vollkommen natürliche, unkomplizierte Geste, ohne die übliche Verlegenheit und Unbeholfenheit einer ersten Umarmung. Er hielt sie ganz einfach im Arm, ohne
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