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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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hatten. »Übrigens, wo haben Sie denn die ganzen Kinder her?«
    »Vom Picken«, brüllte die Frau und wunderte sich, wie der kleine Polizist so blöd sein konnte, so etwas nicht zu wissen. »Na, Harold, jetzt weißt du wenigstens, woher die kleinen Kinder kommen«, bemerkte Sam beim Losfahren.
    Es war immer so mit Harold Bloomguard, und es war schon immer so gewesen. Aber aus unerklärlichen Gründen konnte sich Sam des anhänglichen, kleinen Kerls einfach nicht entledigen – ähnlich, wie sich die ausgelaugte Frau nicht von ihren Kindern trennen konnte.
    Aber ich habe nicht gevögelt, um ihn zu kriegen, dachte Sam Niles. Wieso mußte ich diesen Kerl nur in meinen Trupp in Nam aufnehmen. Und dann spürte Sam Niles die Angst über sich hinwegschwappen, als er an Vietnam dachte. Und einen Augenblick lang haßte er Harold Bloomguard sogar. So kam es immer: Erst die Angst bei der Erinnerung an jene Zeit und dann für den Bruchteil einer Sekunde verzehrender Haß, der seiner Meinung nach Harold Bloomguard galt, da er das Geheimnis der Höhle kannte. Und schließlich Erleichterung, daß Harold dieses Geheimnis keinem anderen Menschen enthüllt und es nicht einmal Sam Niles selbst gegenüber erwähnt hatte.
    Wenn er es nur einmal zur Sprache bringen würde, dachte Sam Niles, aber Harold schnitt dieses Thema nie an. Und das war vielleicht genau der Grund, weshalb er Harold Bloomguard einfach nicht loswurde.
    In der Nacht, in der ihnen dieser Fixer einen todsicheren Fall wegpustete, verhafteten sie den Mann, der sich rot angemalt hatte.
    Sowohl Sam Niles wie Harold Bloomguard hatten von dem Mann gehört, der sich rot angemalt hatte. Vor diesem Zusammentreffen war er allerdings nur als der Mann bekannt gewesen, der seinen Wagen rot gestrichen hatte. Er hieß Oscar Mobley und war achtundfünfzig Jahre alt, weiß, ledig und arbeitslos. Er lebte allein und liebte nichts mehr, als seinen Wagen rot anzustreichen. Dem Los Angeles Police Department wäre davon nie etwas zu Ohren gekommen, wäre Oscar Mobley dabei nicht mit einem Pinsel und einem Eimer Farbe zu Werke gegangen, und das mindestens einmal im Monat. Die Polizisten, die ihn kannten, behaupteten, daß sein fünfzehn Jahre alter Ford mit seinen unzähligen Schichten abblätternder roter Farbe mehr als ein Cadillac wog.
    Und auch das hätte sicher noch nicht ausgereicht, Oscar Mobley in Polizeikreisen zu einem beliebten Gesprächsthema zu machen, wenn er nicht gelegentlich auch seine Scheinwerfer rot gestrichen hätte und so über den Wilshire Boulevard gefahren wäre. Oscar Mobley hatte schon eine Reihe Strafzettel und Verwarnungen bekommen, aber er strich seine Scheinwerfer trotzdem immer wieder rot an. Schließlich ging er sogar dazu über, sämtliche Fenster rot zu übermalen, und da er nun beim Fahren natürlich nichts mehr sah, wurde er auf dem Washington Boulevard in einen Verkehrsunfall verwickelt. Daraufhin wurde ihm gerichtlich verboten, seine Wagenfenster und Scheinwerfer rot zu streichen.
    Für mehrere Monate wurde es dann still um Oscar Mobley, der sich offensichtlich mit einem Wagen mit roter Karosserie, roten Stoßstangen, roten Reifen, roten Radkappen und rotem Kühlergrill, aber ohne rote Fenster und Scheinwerfer zufrieden gab. Aber dann passierte in der Nacht, in der Sam und Harold Oscar Mobley trafen, etwas.
    »Sieben-A-Neunundzwanzig; sehen Sie nach der Frau, männlicher Geistesgestörter, Elevent und Irolo, Code zwei.«
    »Sieben-Adam-Neunundzwanzig, verstanden«, antwortete Harold, während Sam leicht beschleunigt und durch den Abendverkehr in die Gegend fuhr, in der Oscar Mobley wohnte.
    »Gut, daß Sie gekommen sind«, begrüßte sie die Anruferin, eine Mrs. Jasper, die neben Oscar Mobley wohnte. Ihr Haar war voll roter Farbe, und auch ein blaues Baumwollkleid, das sie in der Hand hielt, hatte eine Menge roter Farbe abbekommen. »Ich habe diesen Irren von Oscar nur gefragt, warum er seine Scheinwerfer und Fenster rot streicht, und dann …«
    »Einen Augenblick, bitte«, sagte Sam Niles, als er und Harold mit Mrs. Jasper, ihrem Mann, ihrem Bruder und acht anderen Männern und Frauen aus der Nachbarschaft auf der Straße standen. Die kleine Menge war schon fast so weit gewesen, den zerbrechlichen Oscar Mobley zu lynchen, bis jemandem die glorreiche Idee kam, statt dessen lieber die Polizei zu rufen.
    »Heute abend hat Oscar wieder angefangen, seinen Wagen anzupinseln«, erzählte Mr. Jasper, ein Mann mit sich lichtendem Haar und einem

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