Die Chorknaben
hervor.
»Hoppla, hier kommt der Teufel!« brüllte Oscar Mobley ausgelassen.
Es war ein Wunder, daß keiner der beiden Polizisten auf ihn geschossen hatte. Beide übten mindestens ein halbes Kilo Druck auf die Abzüge ihrer Waffen aus, die, wie alle Polizeiwaffen, so konstruiert waren, daß sie nur auf doppelten Druck reagierten. Schulter an Schulter, den Rücken gegen die Wand gedrückt, standen sie nebeneinander und starrten Oscar Mobley an, der mit einem stolzen Grinsen, die Arme weit ausgestreckt, vor ihnen posierte; die Farbe auf seinem zierlichen, nackten Körper war noch kaum getrocknet.
Und er war bei seiner Bemalungsaktion sehr sorgfältig vorgegangen; er hatte nichts ausgelassen, auch nicht die Handflächen, die Fußsohlen, sein Haar, das Gesicht, den Körper und die Genitalien. Mit einem Roller hatte er sogar seinen ganzen Rücken erreichen können. Nur seine Zähne hatte er vergessen. Und seine Augäpfel hatte er nicht bemalt, weil sie ziemlich zu schmerzen begannen, als er auch das versuchte.
Als Sam Niles später in Oscar Mobleys Küche stand und eine Zigarette rauchte, um seine Nerven etwas zu beruhigen, überredete der nicht weniger geschockte Harold Bloomguard Oscar Mobley mit aller ihm zu Gebote stehenden Geduld, daß er sich doch lieber einen Bademantel überwerfen sollte, wenn sie ihn fortbrächten. Nichts gegen seine Malkünste, aber es wäre doch ein ziemlich kühler Abend, und er würde sich möglicherweise erkälten.
Nachdem sie zu der Überzeugung gelangt waren, daß Elwood Banks, der Gefängnisbeamte der Wilshire-Station, nicht sonderlich begeistert sein würde, wenn sie einen Mann anschleppten, der über und über rot bemalt war, zumal sich daraus bei der Abnahme der Fingerabdrücke eindeutig Probleme ergeben würden, brachten Sam und Harold den guten Oscar dorthin, wohin er gehörte – in Abteilung drei der Psychiatrie im Los Angeles County General Hospital. Inzwischen hatte die Klinik allerdings einen noch etwas pompöseren Namen bekommen: Los Angeles County, University of Southern California Medical Center. Für die Leute, die dort behandelt wurden, blieb es jedoch nach wie vor das General Hospital.
Nach seiner Einlieferung wurde Oscar Mobley einem Psychiater vorgeführt, wobei er sich beharrlich weigerte, einen Grund anzugeben, weshalb er seinen Wagen, Mrs. Jasper und sich selbst rot angemalt hatte. Daraufhin wurde er in eine staatliche Klinik eingeliefert, wo er allerdings sein Geheimnis nicht weniger standhaft wahrte.
Nach seiner Entlassung zog er in einen anderen Stadtteil, nahm einen Job als Verteiler von Postwurfsendungen an, den er im übrigen eine Woche lang anstandslos erledigte, bis er seinen Chef und dessen Frau rot anmalte und neuerlich in die Klinik eingeliefert wurde. Aber das war lange nach dem Zeitpunkt, als Sam Niles und Harold ihn auf Abteilung drei brachten, und zwar genau rechtzeitig, um Code sieben zu verpassen und statt dessen auf den ›Stöhnenden Mann‹ zu treffen.
Der Funkspruch kam kurz nach elf Uhr. ›Sieben-A-Neunundzwanzig; Schuß abgefeuert in der Nähe von Ninth und New Hampshire.‹ »Dafür ist doch die Rampart-Abteilung zuständig«, protestierte Harold Bloomguard.
»Sieben-A-Neunundzwanzig, bleiben Sie einen Augenblick dran«, sagte die Frau in der Zentrale, während sie den Auftrag noch kurz mit dem Beamten besprach, der die einzelnen Funksprüche verteilte.
»Diese Scheißtypen von der Rampart-Division machen mir das in letzter Zeit ein bißchen gar zu häufig«, knurrte Sam Harold an, dem es allerdings nichts ausmachte, den Auftrag anzunehmen, da Sam seit einer Weile auffällig ruhig geworden war und auch Harold allmählich anfing, sich zu langweilen. »Wenn wir diesen Auftrag übernehmen müssen, dann sollen nächstes Mal diese Heinis von der Rampart ein bißchen für uns schuften«, nörgelte Sam weiter.
»Sieben-A-Neunundzwanzig, übernehmen Sie den Auftrag in der Rampart Division«, meldete sich die Frau aus der Zentrale wieder. »Im Augenblick sind leider keine Rampart-Streifen verfügbar.«
»Sieben-A-Neunundzwanzig, verstanden«, sagte Harold Bloomguard ins Mikrofon, während Sam Niles seine Stahlrandbrille hochschob, eine Zigarette aus dem Fenster warf und sagte: »Wahrscheinlich hängen die alle auf der Alvarado rum, die faulen Säcke, und mampfen ihre Hamburger.« Sam fuhr langsam durch die Straßen des heruntergekommenen Wohnviertels, in dem neben ein paar Schwarzen und Lateinamerikanern hauptsächlich Weiße wohnten. Er
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