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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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wieder unterlief einem neuen Verkäufer der Fehler, dem großen Polizisten den normalen Ladenpreis zu nennen, was ihm neben einem giftigen Blick und einem angewidert zuckenden Zahnbürstenschnurrbart unweigerlich den guten Rat eintrug, sich mit dem Geschäftsführer mal über Spencers Polizeirabatt zu unterhalten.
    Pater Willie dachte oft daran, sich nach einem anderen Partner umzusehen; aber andererseits wollte er auch nicht Spencers Gefühle verletzen. Spencer hatte sich jahrelang bemüht, einen Partner wie Pater Willie zu finden, der auf den ihm zustehenden Anteil an Gratiszigaretten, – schnaps und sonstigen Annehmlichkeiten verzichtete.
    Spencer war es mit der Zeit lästig geworden, neue Partner einzuführen:
    »Rauchst du?«
    »Nein, Spencer.«
    »Na, dann rauchst du heute ausnahmsweise mal. Wenn du sie nicht willst, nehme ich eben beide Schachteln.«
    Das weckte natürlich unweigerlich die Gier des jeweiligen Partners von Spencer. »Ich will heute auch eine Schachtel, Spencer.«
    »Wieso? Du rauchst doch nicht.«
    »Ich gebe sie meinem Bruder. Schließlich stehen mir drei Schachteln pro Tag zu.«
    Im Fall Pater Willies konnte Spencer dessen Anteil unwidersprochen einstreichen. Willie beschwerte sich nicht ein einziges Mal, wenn Spencer für die Singstunden alkoholische Getränke zusammenschnorrte.
    »Wir feiern eine kleine Abschiedsparty für einen unserer Detektive«, log Spencer in solchen Fällen einen langen, leidend aussehenden Schnapsladenbesitzer an, worauf dieser von dem Regal hinter sich zwei Flaschen Scotch nahm.
    »Das wird eine Riesenparty – mit 'ner Menge Leute«, würde Spencer lächelnd erklären, bis der Ladenbesitzer begriff und noch zwei Flaschen dazustellte.
    Aber Spencer achtete darauf, nicht immer denselben zu schröpfen und suchte einen Laden, in dem es alkoholische Getränke gab, nie öfter als einmal im Monat auf, es sei denn, er wollte nur Zigaretten haben. Der Zigarettenhalt war dagegen ein unausweichliches, tägliches Ritual. Es hieß, während der Watts-Krawalle im Jahr 1965 sei Spencer mit einem halb ausgebrannten Streifenwagen, dem sie sämtliche Fenster eingeschossen hatten, mit ruß- und schweißverdrecktem Gesicht die zehn Meilen bis zum Beverly Boulevard gefahren und habe dabei noch alle drei Zigarettenstops geschafft, bevor die Läden um zwei Uhr schlossen.
    Spencer van Moot hatte sicher schon tausend Schachteln Zigaretten bekommen, und nicht weniger häufig war ihm eine kostenlose Mahlzeit angeboten worden. Und obwohl er genügend Kleidung zum Einkaufspreis erstanden hatte, um damit ein Dutzend Filmstars einzukleiden, hätte er doch nie daran gedacht, eine Fünf-Dollar-Note anzunehmen. Eine solche war ihm allerdings auch nie angeboten worden – mit einer Ausnahme, als er nämlich einen Gemischtwarenhändler aus Chicago, der in Los Angeles Urlaub machte, aufgehalten hatte. Die Polizei und ihre Mitglieder unterschieden sehr bestimmt zwischen kleinen Gefälligkeiten und Bargeldangeboten, die – egal, wie geringfügig sie waren – als Bestechung betrachtet wurden, die nicht nur ein Dienstvergehen waren, sondern auch strafrechtlich verfolgt wurden.
    Es war nicht so, daß die Bürger und die Polizei von Los Angeles besser gewesen wären als die Leute von der Ostküste oder aus dem Mittelwesten. Nur eignete sich der Westen mit seinen fast stündlich neu aus dem Boden gestampften Städten und Gemeinden nicht in dem Maß für die alte Intimität des Ghettos, in dem sich politisches Patronat und organisiertes Verbrechen die Hand reichten. Die Wettleidenschaft hatte zum Beispiel im westlichen Amerika nie solche Blüten getrieben, und der Durchschnittsbürger von Los Angeles hatte nicht einmal eine Ahnung, wie so etwas überhaupt abgewickelt wurde. In der Hüttenstadt in Pennsylvania, in der Spencer van Moot aufgewachsen war, hatte es kaum eine sterbliche Seele gegeben, die nicht gewettet hätte. Sogar Traumbücher wurden zu Rate gezogen, um den Sieger zu ermitteln. Und das organisierte Verbrechen bezog auf diese Weise einen Großteil seines Einkommens aus diesen Aktivitäten. Die Buchmacher gaben sich sozusagen die Klinke in die Hand, und sie nahmen sogar Wetten mit Pfennigbeträgen von Kindern entgegen. In einer Stadt, die sich über eine Fläche von 460 Quadratmeilen erstreckte und in der auf jeden Erwachsenen ein Auto kam, hatte es sich für die Ganoven der Westküste dagegen als unmöglich erwiesen, ein funktionierendes Überwachungs- und Eintreibungssystem zu

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