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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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organisieren. Los Angeles hatte also seine Geographie und Geschichte auf seiner Seite.
    Und so besorgte Spencer van Moot also etwa die Hälfte der Getränke, die während der Singstunden konsumiert wurden; den Rest organisierte Roscoe Rules, der die Getränke von den eingeschüchterten Ladeninhabern mit etwas drastischeren Methoden eintrieb.
    Nachdem er seine ›Einkäufe‹ erledigt und seine Schätze im Fond seines Campingbusses verstaut hatte, der auf dem Parkplatz des Reviers stand, fing Spencer an, über sein unglückliches Familienleben zu jammern.
    »Ich meine, wie soll man so eine Frau je verstehen, Padre?« beklagte sich Spencer, während die untergehende Sonne durch den Smog drang und in Pater Willies empfindliche, leicht vorstehende, blaue Augen stach.
    »Ich weiß auch nicht, Spencer«, seufzte Pater Willie und überlegte, wie lange Spencer sich wohl an diesem Abend seiner als Klagemauer bedienen würde. Wenn er Glück hatte, hörte er manchmal schon nach den ersten zwei Stunden ihrer Tour mit dem Gejammere auf.
    »Ich bin jetzt vierzig Jahre alt, Pater Willie«, fuhr Spencer fort und strich sich mit der Hand über seinen Zwanzig-Dollar-Haarschnitt, den er sich von einem Friseur am Wilshire Boulevard hatte verpassen lassen – selbstverständlich umsonst. »Schau dir nur mein Haar an; es wird schon grau. Warum nur muß ich in solch einem Elend leben.«
    »Ich bin vierundzwanzig«, erinnerte ihn Pater Willie, »und du hast noch wesentlich mehr Haare auf dem Kopf als ich. Was kümmerst du dich dann darum, ob es grau wird.«
    »Sie ist einfach ein Miststück, Padre. Das Leben mit ihr ist die Hölle, glaub' mir«, flennte Spencer. »Sie ist noch wesentlich schlimmer als meine ersten zwei Frauen zusammen. Und sogar die Kinder hat sie gegen mich aufgehetzt. Sie hassen mich sogar noch mehr als sie. Sie erzählt ihnen ständig irgendwelche Lügen – daß ich trinke und mich mit anderen Frauen herumtreibe.«
    »Aber das stimmt doch«, erinnerte ihn Pater Willie. »Du trinkst ja nun wirklich nicht gerade wenig, und hinter den Frauen bist du doch auch ständig her.«
    »Aber so etwas erzählt man doch keinen Kindern im Teenageralter, verdammt noch mal!« schimpfte Spencer los. »Ich hätte nie 'ne ältere Frau mit Kindern heiraten sollen. Scheiße, sie ist inzwischen schon zweiundvierzig, und ihre Beine werden langsam richtig grün. Richtig grün! Ob du's glaubst oder nicht. Und ich habe nur noch vier Jahre, bis ich mich endlich pensionieren lassen kann. Und was passiert? Diese blöde Kuh wird schwanger!«
    »Ach, irgendwie wird sich das schon regeln, Spencer«, tröstete ihn Pater Willie, während sie auf der Eighth Street, die grellen Strahlen der untergehenden Sonne im Rücken, nach Osten fuhren.
    »Sich regeln? Sich regeln? Vier Jahre bis zu meiner Pensionierung, und sie muß noch mal werfen! Wie soll ich dann in Rente gehen, wenn ich noch so einen kleinen Fratzen in meinem Haus herumkrabbeln habe?«
    »Na ja«, zuckte Pater Willie mit den Achseln. »So ist das Leben.«
    »Da besäuft man sich mal und wird unvorsichtig, und schon hat man sich zehn weitere Jahre bei der Polente an den Hals gevögelt. So etwas geht doch nicht!«
    »Tja«, meinte Pater Willie etwas ratlos.
    »Warum muß so etwas immer nur mir passieren?« winselte Spencer.
    Für einen Augenblick wurde Spencer van Moot durch den Anblick eines siebzigjährigen Rentners, der in einem billigen Hotel in der Seventh Street namens Restful Arms Motel lebte, in seinen Klagen unterbrochen. Der Mann stieß seinen Rollstuhl mit seinem Fuß rückwärts über den Gehsteig, während er seine arthritischen Hände untätig in seinem Schoß verschränkt hielt. Er war auf dem Weg zu dem Supermarkt einen Block westlich, wo er sich zwei Büchsen nahrhaftes Hundefutter zum Abendessen kaufen wollte.
    »Es könnte noch viel schlimmer sein, Spencer.«
    »Aber sicher. Ich werde mit vierzig vollgeschissene Windeln waschen und …«
    »Du hast doch einen neuen Campingbus. Du kannst doch einfach mal mit deiner Frau wegfahren – vielleicht zum Fischen.«
    »Natürlich. Ich habe einen neuen Campingbus. Ich bin ja so glücklich! Aber ich habe auch schon wieder Schulden. Offensichtlich fühle ich mich nicht wohl, wenn ich nicht in den roten Zahlen stehe.«
    »Es wird schon irgendwie hinhauen.«
    »Klar wird es das. Ich werde in Bälde tot sein. Niemand in meiner Familie ist sonderlich alt geworden. Ich hatte 'nen Onkel, der ist mit fünfundvierzig an Altersschwäche

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