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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Scheißfeuerwehr ist immer noch nicht da, und in dem Kombi sind zwei Leichen eingeklemmt!«
    »Würde mir vielleicht mal jemand sagen, wo dieser verdammte Kombi ist?« schimpfte Dean. Er hatte eine Handvoll Warnlichter im Arm und machte sich daran, damit eine Umleitung zu kennzeichnen, so daß die hupenden Autos über eine in Ostwestrichtung verlaufende Querstraße die Unfallstelle verlassen konnten.
    »Da ist er! Das ist der Kombi.« Der Verkehrspolizist deutete auf einen Klumpen Blech, der die Straßenbeleuchtung außer Funktion gesetzt hatte, so daß die Kreuzung in völliger Dunkelheit lag. »Mitten entzweigerissen!«
    »Wenn du vielleicht auch noch ein bißchen mit deinem Arsch pusten könntest, Pizzafresser!« brüllte Roscoe einen pickligen Mann in einem weißen Cadillac an, der hupte und brüllte, als dächte er, die Polizei könnte die zehn Tonnen Blech einfach so von der Straße zaubern, damit er weiterfahren könne. Er hatte es so eilig, weil er noch eine Bar in West-Hollywood aufsuchen und sich dort eine Fünfunddreißig-Dollar-Nutte greifen wollte, bevor die Kneipe dichtmachte.
    Inzwischen ließen mindestens ein Dutzend der eingekeilten Autos ihre Fernlichter in die Gesichter der Polizisten leuchten, während Roscoe sie, von ihrem lauten Hupen genervt, haßerfüllt auf die Querstraße zuwinkte, wo Dean gerade seine Warnlichter anbrachte.
    »Ein schrecklicher Unfall«, murmelte der Verkehrspolizist. »Einer Insassin des Kombi wurde der Kopf abgerissen. Sie ist immer noch eingekeilt.«
    »Tatsächlich?« entgegnete Roscoe. Er überquerte die Straße, wobei er im Schein seiner Taschenlampe über die herumliegenden Wrackteile stieg, bis er schließlich vor der einen Hälfte des Kombi stand und aus dem Chaos aus verstümmelten Körperteilen schlau zu werden versuchte, die einmal ein junges Paar gewesen waren. An der hinteren Stoßstange hingen immer noch die leeren Blechdosen und ein Schild mit der Aufschrift ›Auf Hochzeitsreise‹. Und dann mußte Roscoe plötzlich an eines der beiden lächerlichen Fotos denken, die er seit seiner Zeit in Vietnam in seiner Brieftasche mit sich herumtrug.
    »Mann!« sagte Roscoe Rules aufgeregt. Und dann rief er Dean zu: »Leg die Warnlichter hier vorbei, Partner!« Dean winkte wütend mit seiner Taschenlampe auf die Wagen ein, um sie über die Umleitung von der Unfallstelle wegzuschaffen.
    Mittlerweile war in der Ferne bereits die Sirene eines Einsatzwagens der Feuerwehr zu hören.
    »Wieso?«
    »Ich möchte, daß sie alle an diesem Wrack hier vorbeimüssen. Sie können ja durch den Parkplatz von der Tankstelle fahren.«
    »Wieso?«
    »Ich glaube, hier kommen sie schneller durch.«
    »Na gut.« Dean zuckte mit den Achseln und stellte die Warnlichter entsprechend auf. Roscoe Rules stand währenddessen gelassen auf der anderen Seite des Kombi und hoffte, die Feuerwehr und die anderen Krankenwagen würden noch eine Weile brauchen, um ihm den Spaß nicht verderben. Der erste Wagen, der an Roscoe vorbeifuhr, war nicht geeignet. Sein Fahrer war gut gekleidet und offensichtlich wohlhabend; genau die Sorte Arschloch, dachte Roscoe, die dann später Beschwerde einlegen würde. Und auch der zweite Wagen kam nicht in Frage. Langsam kroch die Autoschlange an ihm vorüber; die Fahrer stierten gierig aus den Wagenfenstern, ob es nicht etwas Blut zu sehen gab.
    Der zwölfte Wagen war dann genau richtig. Es war ein relativ neuer Dodge mit einem Mann und zwei Frauen. Der überquellende Dachträger, die Reiseaufkleber und das Ohio-Nummernschild gaben Roscoe unmißverständlich zu erkennen, daß es sich um Touristen auf der Durchreise handelte, die sich kaum die Zeit nehmen würden, um sich über einen Polizisten zu beschweren, wie aufgebracht sie auch sein mochten. Als der Dodge an ihm vorbeiglitt, lächelte Roscoe der pummeligen Frau auf dem Beifahrersitz aufmunternd zu. Sie hatte das Fenster heruntergekurbelt und rief ihm zu: »Das ist vielleicht ein Unfall, was?«
    »Allerdings, Ma'am«, erwiderte Roscoe, der nun wußte, daß der richtige Zeitpunkt gekommen war.
    »Hierher, Partner!« winkte er Wasmeinstdu-Dean zu sich, da nun einmal jede Legende ihren Erzähler braucht.
    Traurig schüttelte die Frau den Kopf. Während ihr Mann den Motor aufheulen ließ und die Schlange sich wieder in Bewegung setzte, wandte sie sich neuerlich an Roscoe: »Ist jemand verletzt worden?« Daraufhin trat Roscoe hinter dem Unfallwagen hervor, trat an ihr Fenster und streckte ihr den bluttriefenden,

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