Die Chorknaben
denselben Gründen wie die von Roscoe Rules. Er nahm Spencer van Moot auf, weil er der cleverste Schnorrer und Organisierer der Wilshire Station war.
Spencer kannte jeden Laden in seinem Revier. So hatte er sich mit seinen ›Polizei-Discounts‹ zum Beispiel sein Haus fürstlich eingerichtet. Er trug die feinsten italienischen Anzüge aus den besten Bekleidungsgeschäften. Er dinierte regelmäßig in einem der drei teuersten Restaurants in der Nähe von Wilshire und Catalina, obwohl diese eigentlich zur Rampart Division gehörten. Die Ladeninhaber ließen sich überzeugen, daß Spencer van Moot sie vor Einbrechern, Ladendieben, Brandstiftern und Plünderern schützen könne. Mit der Zeit gelangten sie sogar zu der Überzeugung, daß dieser große, blonde Musterpolizist mit dem energischen Kinn und dem struppigen Schnurrbart einem möglichen Geschäftsrückgang vorbeugen könne.
Trotz seines griesgrämigen Wesens und seiner vor Selbstmitleid triefenden Klagen über seine unglückliche Ehe wurde er von den Chorknaben sofort akzeptiert. Er brachte zu seinem Einstand gleich eine Mitgift von drei Kästen Bier und vier Flaschen Chivas Regal mit. Und er hatte seinen Partner Willie Wright dabei.
Neben Francis Tanaguchi und Harold Bloomguard gehörte Willie zu den kleinsten Chorknaben; alle drei waren unter einem Meter dreiundsiebzig. Willie mußte sich sogar ordentlich strecken, um eins siebzig zu schaffen, was seine Einstellung bei der Polizei schon fast an seinen körperlichen Voraussetzungen hätte scheitern lassen. Er war ein von Grund auf religiöser junger Mann, der als Baptist erzogen worden war; nach seiner Heirat mit seiner High-School-Flamme Geneva Smythe war er jedoch zu den Zeugen Jehovas konvertiert. Willie war inzwischen vierundzwanzig, Geneva fünfundzwanzig. Wie Willie war auch sie klein und pummelig. Dreimal die Woche wanderte sie mit dem Wachturm von Tür zu Tür. An seinem freien Tag begleitete Willie sie.
Spencer van Moot arbeitete jedoch gerne mit ihm als Partner, weil dieser es für unzulässig hielt, Geschenke oder günstige Rabatte von den einzelnen Ladeninhabern anzunehmen, so daß Spencer bei solchen Gelegenheiten auch gleich noch Willies Anteil absahnte. Als einziges Zugeständnis leistete Willie Spencer van Moot bei seinen allabendlichen Einladungen in einem seiner Feinschmeckerrestaurants Gesellschaft.
Nachdem er von Spencer praktisch gewaltsam zu der ersten Singstunde geschleppt worden war, stellte Willie Wright etwas höchst Ungewöhnliches fest. Singstunden machten Spaß; sie machten sogar mehr Spaß als alles andere, was er bis dahin in seinem jungen Leben erlebt hatte. Von den anderen Chorknaben wurde er fast sofort akzeptiert, da sie sich über seine mit quäkender Stimme heruntergeleierten Belehrungen köstlich amüsierten. Er ermahnte sie, wie schlecht es sei, sich zu betrinken und hinter den beiden weiblichen Teilnehmerinnen an den Singstunden, Ora Lee Tingle und Carolina Moon, herzugieren. Wenn er dann allerdings selbst genügend intus hatte, verwandelte er sich in einen bösäugigen, kleinen Mustang.
Harold Bloomguard ernannte ihn in aller Förmlichkeit zum Kaplan der MacArthur Park-Chorknaben. Von da an wurde er nur noch als Padre oder Pater Willie Wright angesprochen. In der Nacht, in der Pater Willie Wright zum erstenmal an einer Singstunde teilnahm, hatte er im Keller den Bruder gefunden. Der Abend hatte so ziemlich wie jeder andere begonnen; Spencer van Moot jagte mit der Funkstreife wie ein Irrer zu seinen einzelnen Stops, bevor die Läden schlossen. Als erstes kamen drei Zigarettenstops, bei denen er jeweils zwei Schachteln Zigaretten für jeden von ihnen bekam. Pater Willie machte davon jedoch nicht Gebrauch. Außerdem vermutete er – im übrigen durchaus zu Recht – daß Spencer die Zigaretten an seine Nachbarn verkaufte.
Dann hielten sie an der Molkerei, wo Spencer sich seine tägliche Ration Buttermilch und Joghurt – für jeden einen Liter – abholte. Auch in diesem Fall lehnte Willie natürlich ab, etwas anzunehmen. Dann schaute er, wenn es die Zeit erlaubte, noch in verschiedenen Geschäften am Wilshire Boulevard vorbei, wo er und die Verkäufer mit Worten wie Brioni und Valentine um sich warfen. In der Regel endete dies damit, daß Spencer über seiner blauen Uniform zum Beispiel eine Jacke aus feinstem Ziegenleder anprobierte. Währenddessen saß Pater Willie gelangweilt im Ankleideraum und bewachte Knüppel, Knarre und Mütze seines Partners.
Hin und
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