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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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zumindest für Vergewaltigungsfälle, Jugendstraffälle und Public relations einen gewissen Wert zusprachen, als Unruhestifterin und Aufrührerin eingestuft. Insgeheim waren diese Männer aufs äußerste darauf bedacht, daß diese Frauen schön brav ihren Mund hielten und sich möglichst in nichts einmischten, da sie ja doch nur verkappte kesse Väter waren und den Männern ihre Jobs wegnehmen wollten. Keine-Eier-Hadley wußte, daß die da oben ihre Pöstchen auf keinen Fall preisgeben würden, zumal sie in so viele Ärsche gekrochen waren, um sie zu bekommen. Kurzum, Keine-Eier-Hadley war intelligent, nicht auf den Mund gefallen, mutig, und die meiste Zeit hatte sie auch recht mit ihren Äußerungen. Mit ihren langen, wohlgeformten Beinen, den schmalen Händen, dem honigfarbenen Haar und ihren jugendlich strammen Brüsten war sie eine sehr feminine Frau. Hinsichtlich der Männer, mit denen sie sich verabredete, war sie durchaus wählerisch. Sie bevorzugte Männer mit Bildung und Geld und zerstörte damit die Hoffnungen so ziemlich jedes Polizisten der Nachtschicht. Aus diesem Grund wurde sie allgemein als arrogantes Luder eingestuft, und es bedurfte der Person, die sie mehr als jemand sonst auf Erden liebte, um sie auf ihren Platz zu verweisen.
    Es geschah um zwei Uhr früh nach Dienstschluß, und zwar in der Nacht, in der Pater Willie den Bruder in dem Keller entdeckt hatte. Pater Willie döste gerade in seinem Suff während der Singstunde im MacArthur Park vor sich hin, als Spencer van Moot seinen Partner am Kinn packte.
    »Laß mich in Frieden, Spencer«, quietschte Pater Willie, während ihn sein Partner am Kiefer massierte und aufforderte: »Los, aufstehen, Padre. Hier wird nicht geschlafen, verdammt noch mal!«
    »Der Erhängte!« schrie Pater Willie verwirrt auf. »Der Erhängte!«
    »Ach, laß doch den Erhängten«, beruhigte ihn Spencer. »Bloomguard und Niles sind gerade gekommen. Sie waren auf 'ner Party in Sergeant Yanovs Wohnung. Da fahren wir jetzt auch alle hin.«
    »Nein, nicht«, stöhnte Pater Willie und versuchte, sich wieder auf seiner Decke zusammenzurollen. Aber Spencer ließ nicht locker.
    Pater Willie war der letzte Chorknabe, der aufstand. Die anderen ließen bereits ihre Wagen an, schalteten die Lichter ein und fuhren in Richtung Fourth und Bronson los, wo der Junggeselle Yanov wohnte. Obwohl Yanov klugerweise jegliche Einladungen zu einer Singstunde ausschlug, gab er doch gelegentlich selbst spontan eine kleine Party.
    »Na komm schon, Padre«, drängte Spencer und zog seinen Partner auf die Beine, wobei er sorgfältig darauf achtete, daß er keine Entenscheiße von Willies karierten Bermudashorts auf seine Fünfundfünfzig-Dollar-Jeans kriegte, die er in einem Herrenbekleidungsgeschäft auf dem Beverly Boulevard auf Polizeirabatt erstanden hatte. »Jetzt hör mal, Pater Willie! Keine-Eier-Hadley ist auch da!« Und schon öffneten sich Pater Willies verquollene Augenlider. Der kleine Mann schüttelte sich das dünne, weizenfarbene Haar aus den Augen, bedachte seinen Partner mit einem hoffnungsvollen Grinsen und ließ sich von ihm am Arm nehmen und zu ihrem Wagen in der Parkview Street südlich der Wilshire führen.
    »Wirst du allmählich nüchtern?« erkundigte sich Spencer, der Pater Willies Kombi fuhr, einen fünf Jahre alten Dodge mit einem ›Gott ist die Liebe‹-Aufkleber am Heck.
    »Ja«, stammelte Pater Willie und wurde mit jedem Holpern des Wagens betrunkener, so daß in ihm eine sämtliche Eingeweide verzehrende, leidenschaftliche Liebe für Keine-Eier-Hadley ausbrach, die er sich nur einzugestehen wagte, wenn er betrunken genug war.
    Er hatte es geschafft, seine süßen, zwanghaften Fantasien zu verdrängen, sah man einmal von den wenigen Momenten ab, in denen seine Zeugen-Jehovas-Frau sich auf eine ordentliche Fünf-Minuten-Nummer ohne zuviel lästiges Vorspiel einließ. In diesen Augenblicken war es nicht die pummelige Zeugin Jehovas, die er bestieg, sondern Officer Reba Hadley – Keine-Eier-Hadley mit den herrlichen Brüsten, den schlanken Beinen und der scharfen Zunge, die Pater Willie Hadley nicht einmal eines Blickes würdigte, wenn er an ihrem Schreibtisch vorbeikam und genügend Mut aufbrachte, um zu sagen: ›Guten Tag‹ oder ›Guten Abend‹ oder ›Verdammt viel los heute, was?‹. Manchmal murmelte sie vielleicht irgendeine mechanische Antwort, wenn sie nicht gerade telefonierte oder an einem Bericht arbeitete. Einmal, als sie gerade wieder einmal in ihrer

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