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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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maßgeschneiderten, langärmeligen, blauen Bluse und dem passenden Rock einer Bürobeamtin, und nicht in der Männeruniform einer weiblichen Streifenpolizistin, ins Telefon plauderte, fragte sie Pater Willie, ob er ihr nicht vielleicht etwas zu trinken aus dem Automaten holen könnte, da sie gerade drei Verbrechensmeldungen aufzunehmen habe und nicht vom Telefon weg könne.
    In seiner Eile, die Münzen in den Automatenschlitz zu stecken, verstreute Pater Willie sein gesamtes Kleingeld über den Boden, und dann achtete er sorgsam darauf, auch ja keinen Tropfen zu verschütten, als er den Pappbecher mit Limonade mit größerer Ehrfurcht vor Keine-Eier-Hadley stellte, als je ein Priester am Altar den Kelch mit dem Blut des Herrn geweiht hat.
    Keine-Eier-Hadley sagte gerade ins Telefon: »Hör mal, Mägde, wir müssen uns einfach nur trauen, ins Büro des Chefs zu marschieren und ihm zu sagen, was wir denken. Natürlich kann er uns nicht ausstehen; aber zumindest hat er inzwischen auch Angst vor uns. Schließlich haben wir die Medien hinter uns. Verdammt noch mal, Mägde, was haben wir denn schon zu verlieren? Glaubst du vielleicht, ich will mein Leben damit verbringen, hinter diesem Schreibtisch zu hocken und Fahrraddiebstahlsmeldungen auszuschreiben und mir das Gelaber von diesem Haufen halbgebildeter Heinis anzuhören?« Einer der halbgebildeten Heinis, von denen sie gerade sprach, stand verlegen vor ihrem Schreibtisch und stellte die breite Spalte zwischen seinen Vorderzähnen für Keine-Eier-Hadley zur Schau, die seine Anwesenheit ganz vergessen hatte, bis sie den Vierteldollar sah, der immer noch vor ihr auf dem Schreibtisch lag.
    »Einen Augenblick, bitte, Mägde«, sagte sie gereizt in den Hörer, um ihn dann mit ihrer Hand zu verdecken und sich an Pater Willie zu wenden. »Officer …«
    »Wright«, half ihr Pater Willie nach. »Willie Wright ist mein Name.«
    »Ja, natürlich«, erwiderte sie ungeduldig. »Glauben Sie etwa, ich würde nicht jeden Mann der Nachtschicht beim Namen kennen? Immerhin bin ich erst sechs Monate an diesen Schreibtisch gekettet. Nach dieser langen Zeit sollte ich es doch langsam wissen, oder nicht?«
    »Aber sicher«, entgegnete Pater Willie, »der so unansehnlich, so klein, so unauffällig war, daß sie sich nie an seinen Namen erinnern konnte.«
    »Was gibt’s, Wright? Wollten Sie irgend etwas?«
    »Nein, nein«, winkte Pater Willie ab, während er sich in seinem überschäumenden jungen Herzen nichts sehnlicher wünschte, als herauszuplatzen: »Aber ja! Aber ja, Reba! Aber natürlich!« Er hatte sie noch nie Reba genannt – nicht ein einziges Mal in den sechs Monaten, in denen sie in der Wilshire Station arbeitete, seit sie vom Parker Center hierher versetzt worden war, nachdem sie dort einen Bummelstreik der weiblichen Polizistinnen zu initiieren versucht hatte.
    »Also, was wollen Sie dann noch, Wright? Wie war's, wenn Sie Ihr Geld nehmen und mich entschuldigen würden? Ich führe eben ein wichtiges Gespräch.«
    »Aber klar, Officer Hadley.« Pater Willie wurde rot und wandte sich verlegen ab.
    »Einen Moment mal, Wright. Nehmen Sie doch das Geld für die Limonade.«
    »Nein, nein; ist schon gut«, murmelte Willie. »Es war mir ein Vergnügen. Ehrlich, ich …«
    »Nehmen Sie bitte das Geld«, forderte ihn Keine-Eier-Hadley auf. Ihre Augen verengten sich, als sie für einen Moment das Telefon vergaß, das sie mit ihren Händen umklammerte.
    »Wirklich, es ist mir …«
    »Jetzt hören Sie mal«, legte Keine-Eier-Hadley los. »Ich bezahle meine Drinks selbst – wie jeder andere Beamte hier auch. Sie können mir glauben, daß ich mir auch ohne Sie eine Limonade leisten kann. Also, jetzt nehmen Sie das Geld schon!«
    Pater Willie schnappte sich mit seiner schweißnassen Hand die Münze vom Schreibtisch, hastete die Treppe zum Parkplatz hinunter, stieg in seinen Streifenwagen und raste auf den Venice Boulevard hinaus.
    »Was ist denn mit dir los?« hatte Spencer sich erkundigt, als er Pater Willies ziegelrotes Gesicht sah.
    »Nichts. Ach nichts.«
    Pater Willie hatte sich geschworen, Keine-Eier-Hadley zu vergessen, mußte aber zu seiner Schande feststellen, daß sie dadurch nur noch begehrenswerter für ihn wurde.
    Als Spencer und Pater Willie zu der Party in Sergeant Yanovs Wohnung erschienen, dachte Willie nicht mehr an seine unselige Begegnung mit Keine-Eier-Hadley. Sein vom Gin bereits halb aufgelöstes Gehirn schenkte jenen Warnungen und Ahnungen keine Beachtung, welche

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