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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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erst vor kurzem aus Arkansas nach Los Angeles gekommen und kriegt noch keine Sozialhilfe oder sonst irgendeine Unterstützung; sie probiert schon die ganze Zeit, einen Job als Kellnerin zu finden. Aber Sie wissen ja selbst, daß das heute gar nicht so einfach ist.«
    »Und was ist mit dem Geräusch«, drängte Calvin. »Was ist damit?«
    »Ach ja, ich dachte, ich hätte jemanden schreien gehört. Nicht besonders laut, aber doch ein Schrei. Aber die Kinder plärren natürlich ständig herum. Und dann habe ich vor etwa zwanzig Minuten einen Mann aus dem Haus gehen sehen, und dann nichts mehr. Es war auch kein Licht an in der Wohnung. Nichts hat sich gerührt. Deshalb bin ich dann nach oben und hab' an die Tür geklopft.«
    »Und dann?«
    »Sie müssen auf jeden Fall zu Hause sein. Sie sind nicht ausgegangen. Wenn sie weggegangen wären, hätte ich sei bestimmt gesehen.«
    »Dann schlafen sie vielleicht schon.«
    »Aber der Fernseher läuft noch.«
    »Ach, sie haben vielleicht vergessen …«
    »Wissen Sie, Herr Wachtmeister«, wandte sich die Frau nun Francis zu, »der Fernseher ist schon ziemlich alt; aber er geht noch recht gut. Ich konnte ihn bis auf den Gang hinaus hören. Sie haben dasselbe Programm angesehen wie ich. Und dann hab' ich durch die Jalousie nach innen gesehen, aber auf dem Bildschirm war kein Bild – nur dieses weiße Geflimmer wie bei einer Störung.«
    »Ja und? Was soll das schon groß zu bedeuten haben?«
    »Ich weiß auch nicht, Herr Wachtmeister.« Die Frau wandte sich wieder Calvin zu. »Sie hat nicht viele Freunde und Bekannte. Die arme Frau ist meistens nur mit ihren Kindern zusammen. Nur wenn sie auf Arbeitssuche geht, läßt sie die Kleinen allein hier zurück. Dann passe ich immer ein bißchen auf sie auf.«
    »Wieso sperren sie denn nicht mit ihrem Zweitschlüssel die Wohnungstür auf und sehen nach, was los ist?«
    »Das ist doch das Problem; ich habe keinen mehr. Der letzte Mieter hat seinen Schlüssel nicht abgegeben, so daß ich ihr meinen Zweitschlüssel gegeben habe. Könnten Sie nicht vielleicht mal kurz reinschauen und nachsehen, ob alles in Ordnung ist?«
    »Aber Sie wollen doch vermutlich nicht, daß wir die Tür aufbrechen, oder?« brummte Calvin, während sie die Treppe hinaufstiegen.
    »Können Sie denn nicht wie diese Polizisten im Film das Schloß mit einem Dietrich aufmachen?«
    »Nee, und ich kriege auch keinen Safe auf, indem ich auf das Klicken der Kombination höre«, entgegnete Calvin, während Francis bereits den oberen Treppenabsatz erreicht hatte und laut gegen die Tür von Nummer zwölf klopfte.
    »Ich möchte nicht, daß sie die Tür aufbrechen.« Hilflos stand die Hausverwalterin am Fuß der Treppe.
    Francis fing an, an dem Fenster neben der Eingangstür herumzufummeln. »Halt mal kurz«, forderte er Calvin auf und streckte ihm sein Notizbuch entgegen. Dann drückte er mit den Fingerspitzen einer Hand kräftig gegen die Fensterscheibe, während er mit einer Münze aus seiner Hosentasche den Rahmen leicht hochstemmte. Ein kurzes, metallisches Klicken war zu hören, und das Schiebefenster glitt nach links.
    »Du gäbst einen prima Einbrecher ab, Francis«, lobte Calvin. »Zuviel der Ehre; da bin ich schon lieber bei der Polizei.«
    Francis schob die altersschwachen Jalousien hoch und kletterte in den dunklen Raum, der nur von dem Schneesturm auf dem Bildschirm des Fernsehers schwach erhellt war. Die Lautstärke war sehr leise gedreht.
    »Calvin!« flüsterte Francis plötzlich.
    »Was ist?« Instinktiv griff sein Partner nach seiner Schußwaffe und drückte sich neben dem Fenster gegen die Wand.
    »Calvin!« wiederholte Francis, diesmal schwächer, und Calvin Potts ließ, fest der Überzeugung, daß sein Partner ernsthaft in Gefahr war, sein Notizbuch zu Boden fallen. Calvin duckte sich, suchte nach einer geeigneten Deckung und schätzte kurz die Entfernung zur Treppe ab.
    »Calvin!« rief Francis von neuem. Als Calvin daraufhin seine Waffe zog, rannte die Frau schreiend in ihre Wohnung, um nicht mitten in eine Schießerei zu geraten.
    Als die Tür aufging, drückte sich Calvin flach gegen die Wand. Das Adrenalin pumpte durch seine Adern. Steif tappte Francis über die Schwelle.
    »Calvin!« sagte er leise wie ein Kind.
    »Was ist denn? Verdammt noch mal, was ist eigentlich los?« drängte Calvin, seine Waffe direkt auf Francis gerichtet, der sich dessen jedoch nicht im geringsten bewußt zu werden schien.
    »Da drinnen haben sie ein paar

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