Die Chorknaben
hatte noch nie daran geglaubt, daß es zu etwas führen würde, jemandem zu folgen, zumal es niemanden gab, nach dem er sich hätte richten können, wenn es nachts auf den Straßen von Los Angeles Entscheidungen zu fällen galt, die nicht selten über Leben und Tod entscheiden konnten. Daher behauptete Francis, Wolfgang Werner wäre eine Zimperliese. Er erklärte, den wirklichen Grund zu wissen, weshalb Wolfgang sich geweigert hatte, weiter mit ihm zusammenzuarbeiten. Er konnte nämlich den Spitznamen nicht ausstehen, den Harold Bloomguard ihnen verpaßt hatte und der auch von den anderen baldigst übernommen worden war. Harold hatte sie die Achsenpartner genannt.
Eines Nachts, nachdem Francis aufgehört hatte, ein Achsenpartner zu sein, und statt dessen die eine Hälfte des Spook und Gook-Teams bildete, fuhren sie an einem ruhigen Mittwoch über den Crenshaw Boulevard, als Francis plötzlich Wolf gang entdeckte, wie er gerade mit einer rothaarigen Autofahrerin sprach, die er in der Nähe der Rodeo Road angehalten hatte, um ihr wegen eines defekten Rücklichts einen Strafzettel zu verpassen.
»Na ja, Miß, ich denke, diesmal werde ich noch ein Auge zudrücken können«, dröhnte Wolf gang. Er stand drohend neben dem limonenfarbenen Mustang und stierte auf den Führerschein der jungen Dame, um sich ihre Adresse einzuprägen. Seine Augen waren unter dem Mützenschirm verborgen, den er sich wie Roscoe Rules immer viel zu weit in die Stirn zog.
»Das ist aber nett von Ihnen, Herr Wachtmeister«, kicherte das Mädchen über seinen deutschen Akzent und begutachtete währenddessen den ausladenden Brustkasten des jungen Herkules, der vor freudianischen Symbolen nur so triefte. Da waren all die Phallussymbole – die Knarre, das Abzeichen; ganz zu schweigen von dem überdimensionalen Knüppel, der ihm vom Gürtel baumelte. Das junge Mädchen hatte nicht die geringste Ahnung, welchen Eindruck diese Objekte auf ihre Libido machen sollten.
Als Wolfgang ihr mit seinem einstudierten teutonischen Grinsen den Führerschein zurückgab, wußte Francis, daß Wolfgang nun in seinem unverkennbaren Akzent sagen würde: »Was würden Sie davon halten, wenn wir uns nach Dienstschluß mal auf einen Gin Tonic treffen würden?«
»Dieser Schleimscheißer von einem Krautkopf«, schimpfte Francis, während er dieses Schauspiel vom Beifahrersitz ihres Schwarzweißen aus beobachtete.
Er bat Calvin, irgendwo an der gegenüberliegenden Ecke zu parken. »Diesem würstchenfressenden, arischen Hundesohn werde ich es zeigen.« Und später in jener Nacht kaufte er dann in einem Ramschladen ein billiges Plastikperiskop. Francis wußte nämlich, daß Wolfgang einen Angriff auf seine Würde nicht verputzen können würde. Und dann begannen die U-Boot-Angriffe.
Am Abend des ersten Angriffs arbeitete Wolfgang wieder einmal allein. Francis setzte sich seine Mütze verkehrt hemm auf, machte sich auf seinem Sitz ganz klein, während Calvin fuhr, und schob sein neues Spielzeug langsam über den unteren Rand des Seitenfensters.
»Hast du denn überhaupt einen Spiegel in deinem Periskop?« wollte Calvin wissen.
»Nein.«
»Dann siehst du doch gar nichts.«
»Nein. Du mußt mir eben sagen, wann ich Wolfgang im Visier habe.«
»Ist das denn alles? Willst du Wolfgang nur ins Visier kriegen?«
»Nein, keineswegs. Wir werden diesen pendejo versenken«, flocht Francis plötzlich einen spanischen Brocken ein. »Bring uns schon auf Breitseite.« Wolfgang stand am Wilshire Boulevard zwischen Western und Muirfield.
Diesmal war sein Jagdwild aus einem eleganten Mercedes gestiegen. Sie war brünett, langbeinig, mit Schmuck behängt und ordentlich sauer, da sie zu Recht argwöhnte, daß Wolfgangs Interesse keineswegs ihrer defekten Nummernschildbeleuchtung galt.
Es war zehn Uhr. Kein Stern war am Himmel zu sehen. Auf dem Wilshire herrschte kaum Verkehr, und Francis hatte schon Angst, Wolfgang würde sie näherkommen sehen.
»Schalt das Licht aus«, befahl Francis.
Achselzuckend kam Calvin seinem Wunsch nach und lenkte seinen Schwarzweißen hinter Wolfgangs Wagen, als Francis plötzlich aufgeregt herausplatzte: »Nicht hinter ihn, du Idiot! Neben sie! Und schön langsam!« Dann holte Francis Tanaguchi tief Luft und stieß hervor:
»Sssssswwwwwwwuuuuuuuuuuuuuusch!«
Auf das Geräusch drehte Wolfgang sich nach ihnen um und starrte sie verdutzt an.
»Daneben!« schrie Francis aufgeregt. »Tauchen! Tauchen! Tauchen!«
»Was?«
»Verdammt nochmal, hau schon ab
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