Die Chorknaben
ertönte Francis' Stimme aus dem anderen Schlafzimmer, in dem zwei Kinderbetten standen. Auf einer alten Kommode standen bunte Spielsachen und ein weißes Regal war mit Blumenbildern beklebt, um dem tristen Raum ein etwas freundlicheres Aussehen zu geben.
Francis war zwischen den beiden Betten auf die Knie gegangen; seine Mütze und die Taschenlampe lagen neben ihm auf dem Boden; und der Strahl der Lampe leuchtete unter das eine Bett, wo die Leiche eines fünfjährigen Jungen lag.
Calvin kniete sich ebenfalls auf den Boden, nahm seine Mütze ab und leuchtete mit Francis' Taschenlampe unter das Bett. Der Junge war blutüberströmt; der Schlafanzug um den zierlichen, zusammengekauerten Körper war völlig zerfetzt, und bis auf eine blonde Haarsträhne war der Junge völlig entstellt und voller Blut.
»Der Junge muß unters Bett gekrochen sein, um sich vor ihm zu verstecken«, flüsterte Calvin heiser. »Und der Killer muß ihm hinterher sein, und dann hat er den Kleinen unter dem Bett zerstückelt. Er ist einfach unter diesem Bett gelegen und hat auf ihn eingestochen. So muß es gewesen sein. Um das Bett herum ist nirgendwo Blut zu sehen. Der Kleine hat sich unter dem Bett versteckt, und der Killer ist ihm mit dem Messer nachgekrochen. Es gibt keinen Gott, Francis! Ich sag's dir, es gibt keinen!« Plötzlich sprang Francis auf, zerrte das Bett zur Seite und zog das kleine, entstellte Bündel Mensch aus der zähflüssig roten Pfütze auf dem Boden, bis Calvin ihn stoppte.
»Rühr die Leiche nicht an!«
»Ich glaube, ich habe gesehen, daß er sich noch bewegt hat, Calvin! Vielleicht ist er noch am Leben.«
»Francis, jetzt reiß dich bloß zusammen!« brüllte Calvin und schüttelte seinen Partner, so daß dieser den kleinen Körper sanft zu Boden gleiten ließ, wobei ein paar dicke Tropfen gegen die schmutzige Tapete spritzten. »Schau doch! Seine ganzen Innereren sind über den Boden verstreut!« Er deutete auf die unheilvollen roten Blüten.
»Sieh dir doch das ganze Blut an! Und das Gesicht! Der Junge ist tot, Francis.« Für einen Augenblick sah Francis Tanaguchi seinen Partner an und blickte schließlich auf seine blutigen Hände. »Weißt du, ohne meine Brille sehe ich nicht so gut. Wahrscheinlich sollte ich doch lieber meine Brille tragen.«
»Jetzt verständigen wir lieber erst mal die Mordkommission«, Schluß Calvin vor und führte seinen Partner behutsam aus der Wohnung, die dreißig Minuten später förmlich überquoll von Detektiven, Fingerabdruckspezialisten, Fotografen, Gerichtsmedizinern und hohen Polizeibeamten; letztere hatten zwar nichts mit den Ermittlungen zu tun, aber sie wollten natürlich im Fernsehen einen schlauen Kommentar abgeben. Auch Deputy Chief Lynch war zugegen. Da er vorher gerade mit Theda Günther in einem Hotel gewesen war, saß sein Toupet etwas schief.
Commander Moss grinste und gestikulierte solange durch die Gegend, bis sich ein Reporter schließlich breitschlagen ließ, ein Foto von ihm zu machen. Er tat so, als untersuchte er gerade einen Fingerabdruck seitlich am Fernseher. Als er dann ging, winkte er den Leuten von der Presse mit beiden Armen zu, und sein blondgelocktes Haar schimmerte golden im Scheinwerferlicht. Ein Journalist ließ eine Bemerkung fallen, er würde sich aufführen wie die Rosenkönigin bei einem Blumenkorso.
Der Mörder hatte kaum Spuren hinterlassen. Der Fingerabdruck stammte, wie sich herausstellen sollte, von dem Opfer, Mrs. Mary Stafford. Schließlich wurde ein ehemaliger Freund von ihr unter Mordverdacht festgenommen; allerdings reichten die Beweise nicht aus, um ihn vor Gericht zu stellen. Deshalb erschien auch Commander Moss' Foto nicht in den Zeitungen. Es war später in dieser Nacht – in den Hautfalten an seinen Fingerknöcheln klebte immer noch das Blut eines Kindes – als Francis Tanaguchi sein Plastikperiskop unter dem Sitz hervorholte und zu seinem letzten zwanghaften U-Boot-Angriff auf Wolfgang Werner und die dralle Olga startete. Danach berief er eine Singstunde ein. Er betrank sich und machte sich bereits wegen der Alpträume Sorgen, die ihn künftig heimsuchen würden.
8
7-A-1: Spermwhale Whalen und Baxter Slate
Z uerst war Spermwhale Whalen an einem dunstigen Juninachmittag während des Appells ungewöhnlich still. Das war zwei Monate vor dem Mord während der Singstunde.
Spermwhale kam nicht über den Tod eines Sohnes hinweg, der ihn ebenso zu verachten behauptete, wie Spermwhale ihn liebte. Allerdings kannten die
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