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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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großzügig er dem Übeltäter verzeihen wollte, zumal Ardella Grimsley eines dieser geschwätzigen Weibsstücke war, die Captain Drobeck auf den Tod nicht ausstehen konnte.
    Aber dann passierte etwas Seltsames: Niemand meldete sich. »Jetzt macht schon, Jungs«, lachte Captain Drobeck, auch wenn sein Lachen diesmal nicht mehr ganz so herzhaft klang.
    »Derjenige, der's war, soll sich jetzt melden. Sagen Sie Lieutenant Grimsley, es war nur ein Versehen, und die Sache ist vergessen.« Das Gelächter hörte nicht auf, jedoch ohne daß Captain Drobeck diesmal eingestimmt hätte. Statt dessen lächelte er geduldig und wartete darauf, daß sich der Schuldige meldete und Lieutenant Grimsley demonstrierte, wie gut er, Captain Drobeck, mit seinen Leuten umgehen konnte.
    Aber noch immer trat keiner vor.
    »Ich verstehe das einfach nicht«, versuchte es Captain Drobeck von neuem. »Ich habe Ihnen nun doch wirklich ausreichend Gelegenheit gegeben, eine gewisse Reife an den Tag zu legen; und ich finde auch, daß Lieutenant Grimsley das verdient hat. Aber jetzt möchte ich, um Himmels willen, doch wirklich hoffen, daß der Betreffende vortritt und sich bei Lieutenant Grimsley entschuldigt. Und dann wollen wir die ganze Angelegenheit vergessen. Aber wir haben nicht den ganzen Tag lang Zeit, und ich möchte deshalb, daß das sofort geschieht.« Niemand meldete sich.
    Plötzlich war Captain Drobeck nicht nur das Lachen, sondern auch das Lächeln vergangen. Er fummelte an der Bügelfalte seiner Uniformhose herum und nickte wütend. »Na gut, Sie wollen es also nicht anders, hm? Mein Gott, wenn Sie sich schon unbedingt wie kleine Jungs aufführen wollen, dann kann auch ich Sie wie kleine Jungs behandeln. Soll ich Ihnen denn wirklich die Außendienstsergeanten auf den Hals hetzen? Ich kann Ihnen versichern, daß sich das problemlos arrangieren lassen wird. Ich gebe Ihnen also noch eine letzte Chance. Wenn der Mann, der gefurzt hat, nicht Mann genug ist, dazu zu stehen, soll zumindest sein Nachbar sich ein Herz fassen.« Und der kam dieser Aufforderung auch entsprechend nach; sein Furz war lauter als der erste.
    »ACHTUNG!« brüllte Captain Drobeck, und die ganze Abteilung nahm Habachtstellung ein. Wie ein Löwe schritt der Captain die hinteren Reihen ab und brummte böse vor sich hin, während er jedem einzelnen Polizisten in die Augen sah und ein paar detektivische Methoden anzuwenden versuchte, die er aus verschiedenen Büchern auswendig gelernt hatte, als er für die Prüfungen zu seiner Beförderung zum Captain gebüffelt hatte. Er hielt nach nervösem Augenzucken oder Blinzeln Ausschau. Das Problem war nur, daß er selbst von dem Warten auf Deputy Chief Lynch so nervös und inzwischen auch aufgebracht war, daß seine eigenen Augenlider wie wild gewordene Fahnen flatterten.
    Nachdem er die ganze Abteilung abgeschritten hatte, trat er vor die erste Reihe und flüsterte Arschkriecher Sneed ins Ohr: »Sie bekommen für mich heraus, wer das war. Haben Sie mich verstanden?«
    »Jawohl, Sir. Den ersten oder den zweiten Furz?«
    »Ich will diesen Kerl! Den ersten!«
    »Es war die Stimme eines Farbigen … ich meine, eines Schwarzen. Dessen bin ich nur absolut sicher«, meinte Sneed. »Damit wäre die Zahl der Verdächtigen auf sechs Personen geschrumpft.« In diesem Augenblick fuhr Deputy Chief Lynchs Wagen vor. Die Angelegenheit wurde vorübergehend vertagt. Die Inspektion wurde durchgeführt und erwies sich als voller Erfolg. Captain Drobeck dankte dem Deputy Chief für seine anerkennenden Worte und versicherte ihm, dies wäre dem Pflichtbewußtsein seiner Männer zuzuschreiben.
    Eine halbe Stunde später verschaffte Captain Drobeck auf der Toilette der Wache seinen rumorenden Eingeweiden von der Anspannung des Tages Erleichterung. Er las die Zeitung, brummte zufrieden vor sich hin und sog an seiner Pfeife. Plötzlich wurde die Tür zur Toilette aufgerissen, und jemand ließ einen gewaltigen, dröhnenden Furz. Bevor sich die raschen Schritte wieder entfernten, sagte eine Stimme: »Das ist für dich, du blödes Arschloch!« Captain Drobeck sollte dieses Rätsel nie lösen. Aber eines stand fest: Es war die Stimme eines Farbigen gewesen.
    Während einer seiner wöchentlichen Inspektionstouren erwischte Lieutenant Grimsley dann in einer Nacht acht Polizisten ohne Mütze; einer rauchte in der Öffentlichkeit, und drei weitere tranken Kaffee, den sie sich, wie sich herausstellte, bereitwillig hatten spendieren lassen. Kurz bevor er Schluß

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