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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Revierinspektion durchführte und dem Revierkommandanten, Captain Drobeck, bewies, daß er diesem in nichts nachstand, wenn es darum ging, seinen Leuten die Hölle heiß zu machen. Und obwohl er erst acht Monate den Rang eines Lieutenant bekleidete, hatten doch seine neun Jahre als Außendienstsergeant ausgereicht, sämtliche miesen kleinen Tricks zu lernen.
    Dagegen hatte Captain Drobeck erst kürzlich zu beweisen versucht, daß er keineswegs ein fieses Arschloch von einem Vorgesetzten war, sondern sich der allgemeinen Beliebtheit seiner Männer erfreute. Anlaß dazu hatte eine offizielle Inspektion durch Deputy Chief Lynch persönlich gegeben. Jeder Streifenpolizist des Wilshire-Reviers trug bei dieser Inspektion eine makellos blaue Uniform und blank poliertes, schwarzes Leder. Die Männer waren in drei Abteilungen aufgeteilt, und alle schwitzten sie ganz fürchterlich.
    In seiner blauen Uniform mit all den Orden und Auszeichnungen, die er sich in Pattons Third Army erworben hatte, und mit seiner frisch coiffierten, weißen Mähne bot Captain Drobeck einen stattlichen Anblick. Die Wilshire-Polizisten wußten zwar, daß er beim Militär nichts weiter als ein gewöhnlicher Schreibstubenhengst gewesen war und kein Panzerkommandant, wie er oft andeutete, und sie flüsterten sich nicht selten zu, daß Captain Drobeck wohl kaum an einem Rückzug beteiligt gewesen war, sondern höchstens auf seiner Schreibmaschine zurückgeschaltet hatte, um einen Tippfehler auszubessern.
    Bei offiziellen Feierlichkeiten erschien Deputy Chief Lynch regelmäßig mit zwanzigminütiger Verspätung, wie er auch erst nach drei Minuten ans Telefon ging. Captain Drobeck zupfte nervös an den Bügelfalten seiner Hose und hoffte, daß seine Schuhe von seinem Adjutanten Sergeant Sneed ordentlich auf Hochglanz gebracht worden waren. Sneed hatte diese Kunst während seiner Zeit als Posaunist bei einer Militärkapelle der U. S. Army gelernt.
    Während eines dieser Momente gespannter Erwartung winkte der Lieutenant seiner seit zwanzig Jahren Angetrauten zu, die neben Hut und Handschuhen zu diesem Anlaß unglaublicherweise auch noch ein Blumensträußchen an der Brust trug. Mit strahlenden Augen warf Ardella Grimsley ihrem Gemahl eine Kußhand zu, welche in den hinteren Reihen mit einem dröhnenden Furz erwidert wurde, begleitet von dem Ausruf: »Und für Sie auch ein Küßchen!«
    »WER WAR DAS?« brüllte Lieutenant Grimsley los, daß der sowieso schon reichlich aufgeregte Captain Drobeck tatsächlich um ein Har in die Hosen gemacht hätte.
    »Was ist denn los, Grimsley?« wollte der Captain wissen.
    »Jemand hat gefurzt!«
    »Ist das denn so schlimm?«
    »Aber das … es galt meiner Frau!«
    »Das verstehe ich nicht, Grimsley.«
    In diesem Augenblick kam Sergeant Sneed, von den Männern Arschkriecher Sneed genannt, von seinem Platz in der hintersten Reihe der ersten Abteilung nach vorn gerannt. »Ich glaube, es war die Stimme eines Farbigen, Sir«, flüsterte er dem Captain völlig außer Atem ins Ohr. »Ich meine, die Stimme eines Schwarzen.« Captain Drobeck, der sich der Zuneigung seiner Männer gewiß war, setzte ein wohlwollendes Lächeln auf und sagte: »Bitte, meine Herren, beruhigen Sie sich erst einmal. Das ist doch einfach lächerlich.«
    »Ich finde das keineswegs lächerlich, Captain. Jemand hat meine Frau beleidigt«, begehrte Lieutenant Grimsley auf.
    »Bitte, Lieutenant, bitte!« flüsterte Captain Drobeck. »Der Deputy Chief kann jeden Augenblick eintreffen, und Sie führen sich auf wie ein kleiner Junge. Mein Gott, das ist doch einfach nicht zu fassen.«
    »Es war persönlich gemeint, Sir. Das war eindeutig böse Absicht.«
    »Ist ja schon gut. Wären Sie bereit, die Sache auf sich beruhen zu lassen, wenn der Betreffende sich bei Ihnen entschuldigt? Sicher war es einer von unseren jüngeren Männern. Die meisten von ihnen sind ja noch nicht einmal dreißig. Halbe Kinder noch! Soll sich also der kleine Junge entschuldigen, und dann vergessen wir das Ganze.« Captain Drobeck wandte sich der angetretenen Abteilung Polizisten zu und sagte mit einem väterlichen Grinsen, bei dem eine Menge Zähne zum Vorschein kamen: »Also gut, Jungs; sprechen wir mal ein deutliches Wort miteinander. Wer hat da eben gefurzt?« Captain Drobeck fiel herzhaft in das schallende Gelächter seiner Männer ein, während er darauf wartete, daß sich der Schuldige meldete, damit er seinen Leuten beweisen konnte, welch ein Trottel Hardass Grimsley war und wie

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