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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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hinter der Wache hielten und ausstiegen. »Jedenfalls werde ich ihm erzählen, du wärst der Oberirre der Wilshire-Division und ein Riesenarschloch, und sie sollten dich nicht immer nur für neunzig Tage einlochen, weil du besoffen warst. Ich werde ihm erzählen, du hättest echt 'ne Meise, und sie sollten dich mal auf deine Zurechnungsfähigkeit überprüfen, und dann werden sie dich wieder ins Camarillo verfrachten.«
    »Das wäre ja toll, Officer«, schluchzte der Alte vor Freude und hörte sogar auf, seine Kartoffelchips zu mampfen. »Ich kann Ihnen sagen, so einen Irren wie mich haben die noch nie gesehen; wenn's nötig ist, kann ich sogar auf dem Kopf stehen …«
    »Übertreib's mal lieber nicht«, warnte ihn Spermwhale. »Starr einfach nur so vor dich hin ins Leere und sag irgendwas Blödes, wenn dich jemand was fragt.«
    »Ich werde Fliegen verscheuchen, die gar nicht da sind«, schlug Clyde vor, als sie auf den Eingang der Wache zugingen.
    »Ja, genau so was«, nickte Spermwhale, als sie dem alten Mann die Treppe hinaufhalfen.
    »Und dann werde ich 'nem Polizisten eins in die Fresse hauen«, ereiferte sich Clyde weiter.
    »Nee, das lieber nicht«, bremste ihn Spermwhale.
    »Wie war's mit einem Verteidiger?« warf Baxter Slate ein.
    »Nein, nein«, winkte Spermwhale energisch ab, während sie eine Seitentür öffneten und Clyde nach drinnen schoben. »Und einen Richter? Wie war's mit einem Richter?« schlug Baxter weiter vor.
    »Nein«, schüttelte Spermwhale den Kopf. »Nur nichts übertreiben. Schlag nur nach unsichtbaren Moskitos oder beschimpf die Geschworenen oder irgendwas in der Richtung.« Und dann blieb Clyde Percy vor den vergitterten Zellentüren stehen und blickte zu Spermwhale auf; sein Gesicht, staubbedeckt, aber an manchen Stellen pechschwarz, war von feucht schimmernden Streifen durchzogen.
    »Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar, Officer«, wandte er sich an den dicken Polizisten. »Ich möchte zu meinen Kindern ins Camarillo zurück. Ich bin Ihnen so dankbar für alles, was Sie für mich tun.« Und dann ergriff er Spermwhales mächtige Pranke und weinte.
    »Mein Gott, Clyde! Reiß dich zusammen! Ist ja schon gut!« versuchte Spermwhale ihn zu beruhigen, und zog seine Hand zurück. Dabei blickte er sich vorsichtig um, ob ihn keine anderen Polizisten beobachteten. »Ist ja schon gut. Du brauchst doch nicht … ist ja schon gut, Clyde. Mir macht es doch nichts aus, vor Gericht zu erscheinen. Ich hab' doch sowieso nichts zu tun. Mein Gott, jetzt laß endlich gut sein. Hör endlich auf zu weinen, ja?« Spermwhale Whalen erschien tatsächlich vor Gericht, als der Fall Qyde Percy verhandelt wurde, und er erreichte auch, daß der alte Schwarze auf seine Zurechnungsfähigkeit untersucht wurde. Allerdings wurde Qyde Percy als ungefährlich für sich und die Gemeinschaft befunden und wieder freigelassen. Nach seiner Freilassung ging er zu Fuß einen Kilometer in Richtung Innenstadt, klaute sich eine Flasche Wein, trank sie binnen kürzester Zeit leer und legte sich dann mitten auf die Kreuzung von First und Los Angeles Street, wo er nur neunzig Sekunden zu warten brauchte, bis ein Streifenwagen dort auf dem Weg zur Wache vorbeikam, den Lebensretter von Baldwin Hills einlud und ihn wegen Trunkenheit ins Central Jail brachte. Er wurde zu neunzig Tagen Gefängnis vergattert, was besser als nichts war, aber doch bei weitem nicht ans Camarillo State Hospital heranreichte, wo er seine Erfindung gemacht hatte, mit deren Hilfe die behinderten Kinder ihre Ballons leichter aufblasen konnten.
    Als Wasmeinstdu-Dean, nachdem er bei einer Singstunde von Clyde Percys endgültigem Schicksal gehört hatte, in einen seiner Heulanfälle ausbrach, schimpfte ihn Roscoe Rules einen Niggerfreund und behauptete, dieser alte Lutscher hätte sowieso nur ins Camarillo gewollt, weil er sich an die kleinen Irren heranmachen wollte.
    Spermwhale Whalens Stimmung war nach der Einlieferung von Clyde Percy auf dem Nullpunkt angelangt. Inzwischen war auch die interne Post in der Wilshire-Station eingetroffen, und sie enthielt unter anderem eine Hochglanzvergrößerung im Format achtzehn mal vierundzwanzig, die Spermwhale von seinem Schulfreund Sergeant Harry Bragg zugeschickt worden war, der im Fotolabor der Polizei arbeitete. Das Foto stammte aus dem Verbrecheralbum und zeigte Spermwhale Whalens ältesten Sohn Patrick, der dreizehn Monate zuvor an einer Überdosis Heroin gestorben war. Es war die letzte Aufnahme, die es von dem Jungen

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