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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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jedoch nicht sonderlich viel von den billigen Möbeln. Sie fanden ihn im ersten Stock in der Nähe des Büros des Geschäftsführers auf einem Plüschsofa für neunhundert Dollar. Er mampfte gerade eine halbvolle Tüte Kartoffelchips und eine Banane, die ein Angestellter übriggelassen hatte. Clyde trug seine übliche Kleidung; sie bestand aus zwei schmutzigen Unterhemden, drei Hemden und einem zerlumpten, verblichenen Pullover darüber, einer dicken Flanellhose über langen Unterhosen, einem Paar Fallschirmspringerstiefeln und einer Fliegermütze ohne Brille, die noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammte.
    »Hallo, Clyde«, begrüßte ihn Spermwhale, während Baxter sein Gewehr senkte und die Patrone wieder aus dem Magazin schnalzen ließ.
    »Schon gut, Officer, schon gut«, grinste Clyde Percy glücklich und nahm Habtachtstellung ein. Seine purpurnen Lippen waren von der Banane verschmiert, und seine Haut schimmerte in dem Dämmerlicht bläulich. »Haben Sie mich also wieder mal erwischt. Aber keine Handschellen. Ich komme so mit – ganz friedlich. Aber wenn Sie mir Handschellen anlegen wollen, ist das natürlich auch in Ordnung.«
    »Schon 'ne ganze Weile her, daß ich dich das letzte Mal gesehen habe, Clyde«, sagte Spermwhale, als sie den alten Neger die Treppe hinunterführten. Dabei hielt jeder der Polizisten Clyde an einem Ellbogen, da er eine ordentliche Fahne hatte und auf dem Treppenabsatz um ein Haar gestolpert wäre. »Letzten November haben Sie mich eingelocht. Gerade rechtzeitig für Thanksgiving. Die letzten achtundzwanzig Jahre ist mir nicht ein Thangsgiving im Central Jail ausgekommen.«
    »Du hast seit November gesessen?« fragte Baxter, als er sich vorsichtig die Treppe hinuntertastete, an der einen Hand Clyde, in der anderen das Gewehr. Es war inzwischen so dunkel, daß sie eine Taschenlampe brauchten.
    »Nein, nein«, winkte Clyde Percy ab. »Diesmal habe ich 'ne Menge Glück gehabt. Ich bin ins Camarillo State Hospital gekommen. Der Verteidiger hat erklärt, ich wäre verrückt. Und erst wollte ich da auch gar nicht hin, weil es mir im Knast eigentlich immer ganz gut gefallen hat. Aber dann hat er mir gesagt: Wir schicken dich in dieses Irrenhaus, Clyde, und dort wird es dir sogar noch besser gefallen als im Gefängnis. Also gut, sage ich, und schon wandere ich ins Camarillo. Und wissen Sie was? Die haben mir 'ne Stelle als Lehrer gegeben.«
    »Als Lehrer?« Baxter stolperte und riß Clyde mit sich. Dabei ließ er Taschenlampe und Gewehr fallen.
    Während die zwei Polizisten über den Boden krochen, um nach der Taschenlampe zu suchen, die unter einen Ladentisch gerollt war, hob Clyde Percy hilfsbereit das Gewehr auf und hielt es wie ein Baby zärtlich in seinen Armen, als Sergeant Nick Yanov durch den Vordereingang kam.
    »Verdammter Mist!« brüllte Nick Yanov. Gleichzeitig ging er in Hockstellung, zog seine Waffe und richtete den Strahl seiner Taschenlampe auf Clyde Percy, der inzwischen das Gewehr mit dem Lauf nach unten hielt und wieder seine Kartoffelchips mampfte, während die beiden Polizisten vor ihm auf dem Boden herumkrochen.
    »Werfen Sie das verdammte Gewehr weg, oder ich schieße!« kreischte Nick Yanov.
    Die nächsten Minuten ertönten einige aufgeregte, hektische Schreie, bis Spermwhale den Sergeant auf eine Couch gesetzt, ihm eine Zigarette angeboten und ihn davon überzeugt hatte, daß sie noch am Leben waren, daß Baxter das Gewehr bereits wieder entladen hatte, daß Clyde Percy ein völlig harmloser alter Bekannter von Spermwhale Whalen war und daß Sergeant Yanov auf der Couch sitzen bleiben sollte, bis seine Beine wieder zu zittern aufgehört hatten.
    »Bin ich vielleicht froh, daß Sie's waren, Sarge«, sagte Spermwhale zu dem muskulösen Sergeant mit dem stoppligen Kinn. »Wenn das einer von diesen anderen Arschlöchern von Kontrollbeamten gewesen wäre, hätte er Clyde vermutlich bis zur Unkenntlichkeit durchlöchert, und wir hätten uns schon wieder mal eine Suspendierung eingehandelt.«
    »Warum müßt ihr mir immer so etwas antun«, stöhnte Nick Yanov, während er an seiner Zigarette sog. Langsam kehrte wieder etwas Farbe in sein Gesicht zurück.
    Daraufhin halfen die zwei Polizisten und Clyde Percy dem noch etwas wackligen Sergeant Yanov aus dem Laden und zu seinem Wagen, wobei Clyde Percy sich in langatmigen Entschuldigungen erging, weil er ihn zu Tode erschreckt hatte. »Wo ist hier die nächste Tankstelle?« erkundigte sich Sergeant Yanov, als er sich in seinen

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