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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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nach: »Bleib stehen, du Drecksau, oder ich mach' dich zu Madenfraß!« Baxter Slate, der seine Taschenlampe schließlich doch noch zum Brennen brachte, indem er sie sich mehrmals heftig beim Laufen gegen die Hüfte schlug, holte Spermwhale ein, der inzwischen reglos dastand und mit beiden Händen auf einen laufenden Schatten in etwa fünfundzwanzig Metern Entfernung zielte. Dann krachten in Baxters Ohren drei Schüsse, und der ›Reuige Vergewaltiger‹ stürzte entsetzt aufschreiend auf den Asphalt. Eines von Spermwhales Geschossen war in seinen Rücken eingedrungen, wo es ihm zwei Rippen brach und, dem Weg des geringsten Widerstands folgend, an der Vorderseite wieder austrat, wobei es kaum mehr als eine leichte Fleisch wunde verursachte. Dies veranlaßte Roscoe Rules während des Appells am nächsten Nachmittag zum hundertstenmal zu der lautstarken Forderung, man sollte ihnen endlich erlauben, Dumdum-Geschosse zu verwenden.
    Als die zwei Polizisten den Verwundeten erreichten und über ihm standen, schüttelte er sich das verschwitzte Haar aus dem Gesicht und schrie: »Ihr habt mich in den Rücken geschossen, ihr Schweine!« Spermwhale, vor Anstrengung und Aufregung noch ganz außer Atem, brüllte zurück: »Hier gelten keine Regeln mehr, du mieser Wichser! Hier ist Graf Knigge nichts weiter als eine Tunte von der Eighth Street!« Und damit war der ›Reuige Vergewaltiger‹ geschnappt. Dafür erhielten Spermwhale Whalen und Baxter Slate eine Sonderempfehlung der Kategorie A, die jedoch absolut nichts wert war, was verbesserte Beförderungschancen, erhöhtes Prestige oder eine finanzielle Vergütung betraf. Sie beide erboten sich, die Empfehlung gegen die vier Tage Lohn einzutauschen, die ihnen abgezogen worden waren, weil sie die Avocados mitgenommen hatten, aber der Commander erklärte ihnen nur, er fände das nicht im geringsten komisch.
    Spermwhales größte Leistung war vermutlich die Beziehung, die er mit dem Vergewaltiger während der fünf Stunden herstellte, in denen sie erst im Unfallkrankenhaus, dann im Verhörraum und schließlich im Gefängnis des General Hospital zusammen waren.
    Das Ganze fing damit an, daß Spermwhale für sich und seinen hungrigen Partner zwei Riegel Schokolade kaufte und feststellen mußte, daß er wieder einmal auf den falschen Knopf gedrückt hatte, weil er nämlich einen mit Karamellfüllung bekommen hatte. Und diese Dinger aß er grundsätzlich nie, weil sie ihm ständig am Gaumen klebten.
    »Da, willst du was Süßes?« fragte er deshalb den jungen Burschen, der in Handschellen auf einem Stuhl in der Notaufnahme saß.
    »Danke«, sagte der ›Reuige Vergewaltiger‹, und Spermwhale stellte fest, daß seine Augen feucht schimmerten. Obwohl er sich geweigert hatte, mit den Detektiven zu sprechen, wandte sich Spermwhale noch einmal an ihn. »Schmeckt gut, das Zeug, oder? Stehst du auf Süßigkeiten?«
    »Ja, nicht übel«, entgegnete der junge Bursche, während seine großen blauen Augen suchend durch den Raum wanderten. »Weißt du übrigens, daß ich dir damit einen Gefallen getan habe, daß ich dich angeschossen habe?« Der junge Bursche wischte sich an der Schulter seiner zerrissenen Jacke das Gesicht ab und fragte: »Wieso?«
    »Weil wir dich sonst ins LAPD-Gefängnis gebracht hätten. Und dort werden die Gefangenen um fünf Uhr früh geweckt, und zu essen bekommen sie roten Tod, Knastburger und Eselsschwänze. Aber so kommst du erst ins Krankenhausgefängnis, und wenn du wieder einigermaßen auf dem Damm bist, wirst du ins County Jail eingeliefert. Dort ist das Essen wesentlich besser. Und für die Betten und die Zellen gilt das gleiche. Wie du siehst, habe ich dir also wirklich 'nen Gefallen getan.«
    »Danke.«
    »Und weißt du, ich kann dir gar keinen so rechten Vorwurf aus dem machen, was du getan hast. Mich überkommt dieses Gefühl ja auch manchmal. So ein häßlicher Kerl wie ich, und dann rund um mich herum diese ganzen Mösen, die einem ständig nur kräftig einheizen mit ihren engen Hosen und ohne BH. Verdammte Scheiße, die wollen's doch gar nicht anders.«
    »Glauben Sie wirklich?«
    »Klar. Wir haben doch alle unsere kleinen Schwächen. Verdammt noch mal, ich schaffe es doch auch nicht, mit dem Rauchen und Saufen aufzuhören. Wie soll ich da dir einen Vorwurf machen?« Der ›Reuige Vergewaltiger‹ lächelte den dicken Polizisten an, nahm von ihm zwei weitere Riegel Schokolade mit Karamel- und Mandelfüllung an und gestand darauf über dreißig

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