Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
Kender schüttelte den Kopf. Das war wohl Fizbans Einfluß. »O ja. Die Drachenhöhle.Wenn meine Berechnungen stimmen, dann ist sie hier drüben.« Er ging weiter.
Der alte Magier schlurfte lächelnd hinterher.
Der Weg zu den Minen verlief für die Gefährten ohne besondere Ereignisse. Sie sahen nur wenige Drakonierwachen, die vor Langeweile halb am Schlafen waren. Niemand beachtete die vorübergehenden Frauen. Sie erreichten das glühende Schmiedefeuer, das von erschöpften Gossenzwergen ständig am Brennen gehalten wurde.
Dann betraten die Gefährten die Minen, in denen Drakonierwachen die Männer nachts in riesige Zellen einsperrten und dann wieder die Gossenzwerge bewachten. Verminaard dachte wohl, daß eine Bewachung der Männer überflüssig sei – die Menschen würden nirgendwo hingehen.
Und eine Zeitlang sah es für Tanis so aus, als ob sich das auf
schreckliche Weise bewahrheiten würde. Die Männer würden nirgendwo hingehen. Sie starrten Goldmond nicht gerade überzeugt an, als sie sprach. Trotz allem war sie eine Barbarin – ihr Akzent war nicht zu überhören, ihre Kleidung äußerst seltsam. Was sie erzählte, mutete wie eine Kindergeschichte über einen Drachen an, der in einer blauen Flamme gestorben war, während sie überlebt hatte. Und alles, was sie vorzuzeigen hatte, war eine Sammlung von glänzenden Metallscheiben.
Hederick, der Theokrat von Solace, bezichtigte die Que-Shu-Frau lauthals der Hexerei, Scharlatanerie und Gotteslästerung. Er erinnerte die anderen an die Szene im Wirtshaus und zeigte als Beweis seine vernarbte Hand vor. Die Männer jedoch schenkten Hederick wenig Beachtung. Die Götter der Sucher hatten jedenfalls nicht die Drachen von Solace ferngehalten.
Viele von ihnen waren in der Tat an Flucht interessiert. Fast alle trugen Male der Mißhandlung – Peitschenstriemen, Prellungen in den Gesichtern. Sie waren unterernährt, gezwungen, unter dreckigen und erbärmlichen Bedingungen zu leben, und allen war bewußt, daß sie für Lord Verminaard wertlos werden würden, wenn das Eisenerz unter den Bergen abgebaut war. Aber die Sucherfürsten – die selbst im Gefängnis das Sagen hatten – lehnten solch einen Plan als leichtsinnig ab.
Streitereien gingen los. Die Männer schrien sich an. Tanis stellte hastig Caramon, Flint, Eben, Sturm und Gilthanas an den Türen auf, da er befürchtete, die Wachen könnten die Unruhe hören und zurückkehren. Damit hatte der Halb-Elf nicht gerechnet – dieser Streit konnte Tage anhalten! Goldmond saß verzweifelt vor den Männern und sah aus, als ob sie gleich weinen würde. Sie war von ihrer neugefundenen Überzeugung so erfüllt und eifrig bedacht gewesen, der Welt ihr Wissen mitzuteilen, daß sie jetzt, da ihre Überzeugung angezweifelt wurde, fast die Hoffnung verlor.
»Diese Menschen sind Dummköpfe!« sagte Laurana leise, als sie sich zu Tanis stellte.
»Nein«, erwiderte Tanis seufzend. »Wenn sie Dummköpfe wären, wäre es einfacher. Wir versprechen ihnen nichts Greifbares
und bitten sie, das einzige zu riskieren, was ihnen noch geblieben ist – ihr Leben. Und wofür? In die Berge zu fliehen, die ganze Zeit zu kämpfen. Hier zumindest leben sie – zur Zeit jedenfalls.«
»Aber was für einen Wert kann denn solch ein Leben haben?« fragte Laurana.
»Das ist eine gute Frage, junge Frau«, entgegnete eine schwache Stimme. Sie drehten sich um und sahen Maritta, die neben einem liegenden Mann kniete. Von Krankheit und Entbehrung verzehrt, war sein Alter nicht bestimmbar. Er versuchte aufzusitzen und streckte seine magere Hand Tanis und Laurana entgegen. Sein Atem kam rasselnd. Maritta wollte ihn beruhigen, aber er sah sie nur gereizt an. »Ich weiß, daß ich im Sterben liege, Frau! Bring diese Barbarin zu mir.«
Tanis sah Maritta fragend an. Sie erhob sich und ging zu ihm und schob ihn beiseite. »Das ist Elistan«, sagte sie, als ob Tanis den Namen kennen müßte. Als Tanis nicht reagierte, erklärte sie: »Elistan, einer der Sucherfürsten aus Haven. Er wurde von den Leuten sehr geliebt und respektiert, und er war der einzige, der gegen diesen Lord Verminaard gesprochen hat. Aber niemand hörte zu – niemand wollte zuhören.«
»Du sprichst von ihm, als wäre er schon tot«, sagte Tanis. »Aber er lebt noch.«
»Ja, aber nicht mehr lange.« Maritta wischte eine Träne weg. »Ich kenne diese Krankheit. Mein Vater ist daran gestorben. Irgend etwas in ihm verzehrt ihn. In den letzten Tagen wurde er vor
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