Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
seinen schmerzenden Kopf pressend.
Caramon zuckte die Achseln. »Ich gehe überallhin und kämpfe gegen alles, Tanis. Das weißt du. Was meinst du, Bruder?«
Aber Raistlin starrte in die Dunkelheit und antwortete nicht.
Goldmond und Flußwind unterhielten sich leise. Sie nickten sich zu, dann sagte Goldmond zu Tanis: »Wir gehen nach Xak Tsaroth. Wir danken euch für alles, was ihr für uns getan habt...«
»Aber wir wollen nicht länger um die Hilfe anderer bitten«, erklärte Flußwind stolz. »Und so wie wir unsere Suche allein begonnen haben, so werden wir sie auch allein beenden.«
»Und ihr werdet allein sterben!« sagte Raistlin leise.
Tanis schauderte. »Raistlin«, sagte er, »ich will mit dir allein reden.«
Der Magier verneigte sich gehorsam und ging mit dem Halb-Elf in ein kleines Dickicht. Dunkelheit umfing sie.
»Wie in alten Tagen«, sagte Caramon, dessen Augen seinem Bruder unsicher folgten.
»Und sieh dir diesen ganzen Ärger an, in den wir geraten sind«, erinnerte Flint ihn und ließ sich aufs Gras fallen.
»Ich frage mich, worüber sie wohl reden«, sagte Tolpan. Vor langer Zeit hatte der Kender versucht, diese privaten Unterredungen zwischen Magier und Halb-Elf zu belauschen, aber jedesmal hatte Tanis ihn erwischt und verscheucht. »Und warum können sie es nicht mit uns besprechen?«
»Weil wir vermutlich Raistlins Herz herausreißen würden«, antwortete Sturm mit leiser, schmerzerfüllter Stimme. »Es ist mir egal, was du sagst, Caramon, aber in deinem Bruder steckt eine dunkle Seite, und Tanis hat sie gesehen. Dafür bin ich sehr dankbar. Er kann damit umgehen, ich nicht.«
Merkwürdigerweise sagte Caramon nichts. Sturm starrte den Kämpfer verwirrt an. In alten Tagen wäre dieser aufgesprungen, um seinen Bruder zu verteidigen. Jetzt saß er stumm da, mit besorgtem und bestürztem Gesicht. Es gibt also eine dunkle Seite in Raistlin, und Caramon weiß darüber Bescheid. Sturm fragte sich schaudernd, was in den vergangenen fünf Jahren wohl passiert war, daß über den fröhlichen Kämpfer solch ein dunkler Schatten gefallen war.
Raistlin ging dicht neben Tanis. Wie immer fühlte sich Tanis in der Anwesenheit des jungen Magiers unbehaglich. Jedoch gerade jetzt wußte er nicht, wen er sonst hätte um Rat fragen sollen. »Was weißt du über Xak Tsaroth?« fragte Tanis.
»Dort stand ein Tempel – ein Tempel zu Ehren der alten Götter«, hauchte Raistlin. Seine Augen glitzerten im unheimlichen Licht des roten Mondes. »Er wurde während der Umwälzung zerstört, und seine Bewohner flohen, sie waren überzeugt, daß die Götter sie verlassen hatten. Der Ort geriet in Vergessenheit. Ich wußte nicht, daß er noch existiert.«
»Was hast du gesehen, Raistlin?« fragte Tanis leise nach einer langen Pause. »Du hast weit weg gesehen – was hast du gesehen?«
»Ich bin Magier,Tanis, und kein Seher.«
»Speis mich nicht so ab. Ich weiß, daß du nicht über die Gabe der Voraussicht verfügst. Du hast nachgedacht und nicht mit Hilfe einer Glaskugel gewahrsagt. Und du bist auf Antworten gestoßen. Ich will diese Antworten wissen. Du hast
mehr Verstand als wir anderen zusammen, selbst wenn...« Er stockte.
»Selbst wenn ich verkrüppelt und verschroben bin.« Raistlins Stimme erhob sich mit barscher Arroganz. »Ja, ich bin klüger als du – als ihr alle. Und eines Tages werde ich euch das beweisen! Eines Tages wirst du – mit all deiner Stärke und deinem Charme und guten Aussehen – du – ihr alle – werdet mich Meister nennen!« Tanis, an diesen Wortschwall gewöhnt, wartete geduldig ab. Der Magier entspannte sich. »Aber jetzt gebe ich dir meinen Rat.Was habe ich gesehen? Diese Armeen, Tanis, Armeen der Drakonier werden Solace und Haven und alle Länder eurer Väter überrennen. Das ist der Grund, warum wir Xak Tsaroth erreichen müssen. Was wir dort finden werden, wird die Untaten dieser Armee beweisen.«
»Aber warum diese Armeen?« fragte Tanis. »Was könnte jemand mit der Macht über Solace und Haven und den Ebenen bis zum Osten im Sinn haben? Sind es die Sucher?«
»Sucher! Pah!« schnaubte Raistlin verächtlich. »Öffne deine Augen, Halb-Elf. Jemand oder etwas Mächtiges hat diese Kreaturen geschaffen – diese Drakonier. Nicht die idiotischen Sucher. Und niemand unternimmt diese ganze Anstrengung, um zwei Dörfer einzunehmen oder um einen blauen Kristallstab zu suchen. Dies ist ein Eroberungskrieg, Tanis. Jemand will Ansalon erobern! Innerhalb von zwei Tagen
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