Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
brach aus, die Gossenzwerge schubsten und schoben sich hin und her. Bald flogen die Fäuste, und ein Gossenzwerg warf einen anderen zu Boden und trat ihn und gellte aus vollem Hals: »DerWeg! DerWeg!«
Sturm wandte sich zu Tanis. »Das ist lächerlich! Sie alarmieren nur die Drakonier! Ich weiß nicht, was dieser verrückte Magier angestellt hat, aber du mußt ihn aufhalten.«
Bevor sich Tanis jedoch einmischen konnte, hatte ein weiblicher Gossenzwerg die Angelegenheit in ihre Hände genommen. Sie warf sich in das Durcheinander, ergriff die beiden Kämpfer, schlug ihre Köpfe zusammen und ließ sie auf den Boden fallen. Die anderen, die die beiden angefeuert hatten, verstummten unverzüglich, und die Frau wendete sich zu Raistlin um. Sie hatte eine dicke Knollennase, und ihre Haare standen wild ab. Sie trug ein zerlumptes Flickenkleid, dicke Schuhe und Strümpfe, die an den Knöcheln zerrissen waren.Aber sie schien ein Anführer der Gossenzwerge zu sein, denn alle betrachteten
sie mit Respekt. Der Grund dafür konnte auch in dem riesigen schweren Sack liegen, der über ihre Schulter hing. Der Sack schien für sie von ungeheurer Wichtigkeit zu sein. Wenn einer der Gossenzwerge versuchte, ihn zu berühren, wirbelte sie herum und schlug ihn ins Gesicht.
»Korridor führt zu große Herren«, sagte sie und nickte in die östliche Richtung.
»Danke, meine Gute«, sagte Raistlin und berührte ihre Wange. Er sprach einige Worte: »Tan-tago, musalah.«
Die Gossenzwergin sah fasziniert zu ihm auf. Dann seufzte sie bewundernd auf.
»Erzähl mir, Kleine«, sagte Raistlin. »Wie viele Herren?«
Die Gossenzwergin runzelte die Stirn und hob dann eine schmuddelige Hand. »Einer«, sagte sie und hielt einen Finger hoch. »Und einer, und einer, und einer.« Triumphierend sah sie Raistlin mit vier erhobenen Fingern an und sagte: »Zwei.«
»Ich fange an, mit Flint einer Meinung zu sein«, knurrte Sturm.
»Pssst«, machte Tanis. Gerade in dem Moment hörte das kreischende Geräusch auf. Die Gossenzwerge blickten unruhig in den Korridor, als in der Stille wieder das rauhe knackende Geräusch zu hören war.
»Was ist das für ein Lärm?« fragte Raistlin seine verzauberte Bewunderin.
»Peitsche«, antwortete sie gleichgültig. Sie griff mit ihrer schmutzigen Hand nach Raistlins Gewand und zog ihn zum östlichen Ende des Korridors. »Herren sind sauer.Wir gehen.«
»Was macht ihr für die Herren?« fragte Raistlin und hielt sie zurück.
»Wir gehen. Du siehst.« Die Gossenzwergin zog wieder an ihm. »Wir unten. Sie oben. Unten. Oben. Unten. Oben. Komm. Du gehst.Wir gehen unten.«
Raistlin wurde von den Aghar fast fortgetragen, sah zu Tanis zurück und gab ihm Zeichen. Tanis signalisierte Flußwind und Flint, und alle folgten den Gossenzwergen. Jene, die Raistlin verzaubert hatte, blieben dicht bei ihm, während die anderen
vorliefen, als die Peitsche wieder knallte. Das kreischende Geräusch fing wieder an und wurde immer lauter.
Die Gossenzwergin strahlte bei dem Geräusch. Sie und die anderen hielten an. Einige von ihnen lümmelten sich an die schleimigen Wände, andere ließen sich wie Säcke auf den Boden fallen. Die Frau blieb neben Raistlin stehen und hielt den Saum seines Ärmels in ihrer kleinen Hand. »Was ist das?« fragte er. »Warum haben wir angehalten?«
»Wir warten. Noch nicht an der Reihe«, informierte sie ihn.
»Was werden wir machen, wenn wir an der Reihe sind?« fragte er geduldig.
»Unten gehen«, antwortete sie und himmelte ihn bewundernd an.
Raistlin sah zu Tanis und schüttelte den Kopf. Der Magier entschied, einen neuen Versuch zu starten.
»Wie heißt du, Kleine?« fragte er.
»Bupu.«
Caramon schnaufte verächtlich und hielt sich schnell eine Hand vor den Mund.
»Nun, Bupu«, sagte Raistlin schmeichelnd, »weißt du, wo die Höhle des Drachen ist?«
»Drache?« wiederholte Bupu erstaunt. »Du willst Drache?«
»Nein«, sagte Raistlin hastig, »wir wollen nicht den Drachen – nur die Höhle, wo der Drache lebt.«
»Oh, weiß nicht.« Bupu schüttelte den Kopf. Dann klatschte sie in die Hände, als sie die Enttäuschung in Raistlins Gesicht sah. »Aber ich dich nehmen zum Großbulp, dem Großen. Er alles wissen.«
Raistlin zog die Augenbrauen hoch. »Und wie kommen wir zum Großbulp?«
»Unten!« sagte sie und grinste glücklich. Der kreischende Lärm hatte aufgehört. Man hörte das Aufschlagen der Peitsche. »Unsere Reihe jetzt nach unten gehen. Du kommst. Du kommst jetzt.
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