Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
gesagt, was ich weiß.« Alhana schüttelte den Kopf.
»Alhana! Woher weißt du das?« fragteTanis ernst.
Ihre blassen Wangen waren mit rosigen Flecken übersät, als Alhana murmelte: »Ich . . . ich gab dem Ritter einen Sternenjuwel.
Er weiß natürlich nichts über seine Macht und auch nichts darüber, wie er zu benutzen ist. Ich weiß nicht einmal, warum ich ihm den Juwel geschenkt habe, außer...«
»Außer was . . .?« fragteTanis maßlos erstaunt.
»Er war so ritterlich, so mutig. Er hat sein Leben riskiert, um mir zu helfen, und er wußte nicht einmal, wer ich bin. Er half mir, weil ich in Schwierigkeiten war. Und...« Ihre Augen schimmerten. »Und er weinte, als die Drachen die Leute umbrachten. Ich habe noch nie zuvor einen Erwachsenen weinen gesehen. Sogar als die Drachen kamen und uns aus unserer Heimat vertrieben haben, haben wir nicht geweint.Vielleicht haben wir einfach vergessen, wie man weint.«
Dann zog sie hastig die Decken beiseite und betrat die Höhle, als ob ihr bewußt geworden wäre, zuviel gesagt zu haben.
»Im Namen der Götter!« keuchte Tanis. Ein Sternenjuwel! Welch seltenes und unbezahlbares Geschenk! Bei den Elfen wurde dieses Geschenk unter Liebenden ausgetauscht, wenn sie gezwungen waren, sich zu trennen, denn die Juwelen schufen ein Band zwischen den Seelen. So miteinander verbunden, nehmen die Liebenden an den innersten Regungen des anderen Anteil und können sich in Zeiten der Not Stärke geben. Aber niemals zuvor in Tanis’ langem Leben hatte er gehört, daß ein Sternenjuwel einem Menschen geschenkt worden war. Was würde es mit einem Menschen machen? Welche Auswirkungen hatte das? Und Alhana – sie könnte niemals einen Menschen lieben, niemals die Liebe erwidern. Es mußte eine Art blinde Vernarrtheit gewesen sein. Sie mußte verängstigt gewesen sein, einsam. Nein, diese Geschichte konnte nur in Leid enden, sofern sich bei den Elfen, oder zumindest bei Alhana, nicht etwas Wesentliches ändern würde.
Obgleich Tanis erleichtert war, daß sich Laurana und die anderen in Sicherheit befanden, so fürchtete und trauerte er doch tief um Sturm.
Silvanesti - Eintreten in den Traum
A m dritten Tag ihrer Reise flogen sie in den Sonnenaufgang. Sie hatten die Drachen anscheinend verloren, obwohl Tika, die weiterhin nach hinten Ausschau hielt, überzeugt war, schwarze Punkte am Horizont zu erkennen. An jenem Nachmittag, als die Sonne hinter ihnen unterging, näherten sie sich dem Fluß, der als Thon-Thalas – Herrscherfluß – bekannt war und der die Grenze zwischen der Außenwelt und Silvanesti bildete.
In seinem ganzen Leben hatte Tanis von den Wundern und der Schönheit der uralten Elfenheimat gehört, obwohl die Elfen
in Qualinesti von ihr ohne Bedauern sprachen. Sie vermißten nicht die verlorenen Wunder von Silvanesti, denn die Wunder an sich waren ein Symbol der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Elfensippen.
Die Elfen in Qualinesti lebten in Harmonie mit der Natur, sie entwickelten und förderten ihre Schönheit. Sie errichteten ihre Häuser zwischen den Espen, verschönerten die Stämme mit Gold und Silber. Sie bauten ihre Häuser aus schimmerndem Rosenquarz und luden die Natur ein, mit ihnen zusammenzuwohnen.
Die Silvanesti jedoch liebten die Einzigartigkeit und Verschiedenartigkeit aller Dinge.Aber sie sahen nicht die Einzigartigkeit in der Natur, sondern formten die Natur nach ihren Idealen. Sie hatten Geduld, und sie hatten Zeit, denn was sind Jahrhunderte für Elfen, deren Leben sich über Hunderte von Jahren erstrecken? Und so formten sie ganze Wälder um, beschnitten die Bäume, setzten sie um und zwangen Gesträuch und Blumen zu phantastischen Gärten von unglaublicher Schönheit.
Sie ›bauten‹ keine Häuser, sondern meißelten und höhlten den Marmorstein aus, der in ihrem Land in solch seltsamen und wunderbaren Formen existierte, daß in den Jahren, bevor sich die Rassen entfremdeten, Zwergenmeister Tausende von Meilen zurücklegten, um sie zu besichtigen, und dann nicht anders konnten, als über ihre seltene Schönheit zu weinen. Und es hieß, daß ein Mensch, der in den Gärten von Silvanesti wandern würde, sie niemals wieder verlassen könnte, sondern für immer blieb – verzaubert, gefangen in einem wunderschönen Traum.
All dies wußteTanis natürlich nur aus Legenden, denn keiner der Qualinesti in seiner uralten Heimat hatte seit den Sippenmord-Kriegen einen Fuß dorthin gesetzt. Kein Mensch – so glaubte man – durfte Silvanesti
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