Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
er sagte, daß die anderen drei Kugeln verlorengegangen wären. Eine wurde von meinem Vater zur Aufbewahrung nach Silvanesti gebracht.«
»Was waren die Verlorenen Schlachten?« fragte Tanis und lehnte sich neben Alhana gegen den Stein.
»Wird denn keine Legende in Qualinost bewahrt und weitergegeben?« gab sie zurück und musterte Tanis verächtlich. »Was seid ihr für Barbaren geworden, seit ihr euch mit Menschen vermischt!«
»Sagen wir lieber, es war mein eigener Fehler«, antwortete Tanis, »ich habe dem Sagenmeister nicht genug Beachtung geschenkt.«
Alhana warf ihm einen mißtrauischen Blick zu, als fürchte sie seinen Spott. Aber als sie in sein ernstes Gesicht sah und eigentlich auch nicht allein sein wollte, entschied sie, seine Frage zu beantworten. »Als Istar im Zeitalter der Allmacht in Ruhm und Ehre immer weiter aufstieg, wurden Istars Königspriester und seine Kleriker auf die Macht der Magier immer eifersüchtiger. Die Kleriker sahen für Magie in derWelt keine Notwendigkeit mehr und fürchteten sie natürlich als etwas, was sich ihrer
Kontrolle entzog. Die Magier selbst wurden zwar respektiert, aber man schenkte ihnen niemals völliges Vertrauen, nicht einmal den Weißen Roben. Es war für die Priester eine Leichtigkeit, die Leute gegen die Zauberer aufzuwiegeln. Als das Böse im Laufe der Zeit immer mehr zunahm, gaben die Priester den Magiern die Schuld dafür. In den Türmen der Erzmagier, wo sich die Magier ihren endgültigen mörderischen Prüfungen unterziehen mußten, ruhten auch ihre Mächte. Die Türme waren natürlich die ersten und wichtigsten Angriffsziele. Sie wurden vom Mob angegriffen, und es war so, wie dein junger Freund sagte: Zum zweiten Mal in ihrer Geschichte versammelten sich die Roben, um ihre letzte Bastion der Mächte zu verteidigen.«
»Aber wie hätte man sie besiegen können?« fragte Tanis skeptisch.
»Wie kannst du so eine Frage stellen, wenn du mit einem Magier befreundet bist? So mächtig er auch ist, auch er muß sich ausruhen. Selbst der Stärkste braucht seine Zeit, um seine Zaubersprüche zu erneuern, sie sich wieder ins Gedächtnis zu holen. Selbst die Ältesten des Ordens – Zauberer, die so mächtig waren, wie man es auf Krynn lange nicht mehr erlebt hatte – mußten schlafen und Stunden mit ihren Zauberbüchern verbringen. Und auch damals gab es nur wenige Magier. Nur wenige wagen es, sich den Prüfungen in den Türmen der Erzmagier zu unterziehen, da sie wissen: Versagen heißt sterben.«
»Versagen bedeutetTod?« fragteTanis leise.
»Ja«, erwiderteAlhana. »Dein Freund ist sehr mutig, die Prüfungen in so jungen Jahren abgelegt zu haben. Sehr mutig – oder sehr ehrgeizig. Hat er dir niemals davon erzählt?«
»Nein«, murmelte Tanis. »Er spricht nie darüber.Aber fahre fort.«
Alhana zuckte die Schultern. »Als es klar wurde, daß die Schlacht hoffnungslos war, zerstörten die Zauberer eigenhändig zwei Türme. Die Asche überzog das Land im Umkreis von Meilen. Nur drei Türme blieben übrig – der Turm von Istar, der Turm von Palanthas und der Turm von Wayreth. Aber die
furchtbare Zerstörung der zwei Türme hatte Istars Königspriester erschreckt. Er garantierte den Zauberern in denTürmen von Istar und Palanthas freies Geleit, falls sie die Türme unbeschädigt ließen, denn die Zauberer hätten diese beiden Städte zerstören können, und das wußte der Königspriester nur zu gut.
Und so reisten die Magier zu dem Turm, der niemals bedroht war – zum Turm von Wayreth im Kharolisgebirge. Sie kamen nachWayreth, um ihreWunden zu pflegen und den kleinen Funken von Magie, der immer noch in der Welt war, zu nähren. Die Zauberbücher, die sie nicht mitnehmen konnten, denn es gab viele davon, und die meisten waren mit einem Schutzzauber versehen, wurden der großen Bibliothek von Palanthas übergeben, und dort befinden sie sich noch, wie es in den Legenden meines Volkes heißt.«
Der Silbermond war aufgegangen, seine Strahlen schmückten seine Tochter mit einer Schönheit, die Tanis den Atem raubte, so wie ihre Kälte sein Herz durchbohrte.
»Was weißt du über einen dritten Mond«, fragte er, in den Nachthimmel starrend. »Ein schwarzer Mond . . .«
»Wenig«, erwiderte Alhana. »Die Magier beziehen aus den Monden ihre Macht: die Weißen Roben aus Solinari, die Roten Roben aus Lunitari. Nach den Legenden gibt es einen Mond, der den Schwarzen Roben ihre Macht gibt, aber nur diejenigen, die seinen Namen kennen, wissen ihn am Himmel zu
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