Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
von dannen.
»Nun, das war’s«, sagte Alhana scharf und wich den wütenden Blicken aus, die sie auf sich ruhen spürte. »Jetzt müssen wir einfach weitergehen.Wir brauchen nicht mehr lange.«
Die Gefährten standen am Ufer und starrten über das reißende Wasser zum Wald am anderen Ufer. Keiner sprach ein Wort. Sie waren angespannt und wachsam, auf Ärger gefaßt. Aber sie sahen nur die Espen in den letzten Sonnenstrahlen glänzen. Der Fluß klatschte murmelnd an seine Ufer. Obwohl die Espen noch grün waren, lag bereits die Schweigsamkeit des Winters wie eine Decke über dem Land.
»Hattest du nicht gesagt, daß dein Volk geflohen ist, weil es unter Belagerung stand?« fragteTanis schließlichAlhana.
»Wenn dieses Land von den Drachen kontrolliert wird, bin ich ein Gossenzwerg!« schnaubte Caramon verächtlich.
»Das stimmte auch!« antwortete Alhana, ihre Augen wanderten suchend durch denWald. »Drachen füllten den Himmel – wie in Tarsis! Drachenmänner drangen in unsere geliebten Wälder vor, verbrannten, zerstörten . . .« Ihre Stimme erstarb.
Caramon beugte sich zu Flußwind und murmelte ihm zu: »Wildgansjagd!«
Der Barbar knurrte. »Wenn es nichts weiter ist, haben wir ja Glück«, sagte er, die Augen auf das Elfenmädchen gerichtet. »Warum hat sie uns hierhergebracht? Vielleicht ist es eine Falle.«
Caramon zog diesen Gedanken einen Moment in Erwägung, dann blickte er unruhig zu seinem Bruder, der weder gesprochen noch seine seltsamen Augen vom Wald abgewandt hatte, seitdem die Greife sie verlassen hatten. Der Krieger löste sein Schwert und trat näher zu Tika. Wie zufällig schienen sich ihre Hände zu begegnen. Tika warf Raistlin einen ängstlichen Blick zu, ließ Caramon aber nicht los.
Der Magier starrte einfach nur weiter in dieWildnis.
»Tanis!« sagte Alhana plötzlich, und in ihrer Freude vergaß sie sich und legte ihre Hand auf seinen Arm. »Vielleicht hat es funktioniert! Vielleicht hat mein Vater sie besiegt, und wir können nach Hause zurückkehren! OTanis . . .« Sie zitterte vorAufregung. »Wir müssen den Fluß überqueren und es herausfinden! Kommt! Dort hinter der Flußbiegung ist der Landesteg der Fähre . . .«
»Alhana, warte!« rief Tanis, aber sie lief bereits am weichen, mit Gras bewachsenen Ufer entlang, ihr langes Gewand flatterte um ihre Knöchel. »Alhana! Verdammt! Caramon und Flußwind, lauft ihr nach. Goldmond, versuche, sie zur Vernunft zu bringen.«
Flußwind und Caramon tauschten unruhige Blicke, aber sie gehorchten Tanis’ Befehl. Goldmond und Tika folgten etwas langsamer.
»Wer weiß, was in diesemWald ist?« murmelte Tanis. »Raistlin...«
Der Magier schien nicht zu hören. Tanis ging näher zu ihm. »Raistlin?« wiederholte er.
Raistlin starrte ihn verständnislos an, als ob er aus einem Traum erwacht wäre. Dann wurde dem Magier bewußt, daß ihn jemand angesprochen hatte. Er senkte seinen Blick.
»Was ist, Raistlin?« fragteTanis. »Was spürst du?«
»Nichts,Tanis«, erwiderte der Magier.
Tanis blinzelte. »Nichts?« wiederholte er. »Es ist wie ein undurchdringlicher Nebel, eine weiße Mauer«, flüsterte Raistlin. »Ich sehe nichts, spüre nichts.«
Tanis musterte ihn aufmerksam, und plötzlich erkannte er, daß Raistlin log.Aber warum? Der Magier erwiderte den Blick des Halb-Elfen mit Gleichmut, ein kleines Lächeln kräuselte seine dünnen Lippen, als ob er wüßte, daß Tanis ihm nicht glaubte, ihn das aber nicht stören würde.
»Raistlin«, sagte Tanis leise, »nehmen wir an, daß Lorac, der Elfenkönig, versucht hat, die Kugel der Drachen zu benutzen – was könnte passiert sein?«
Der Magier starrte wieder in den Wald. »Hältst du das für möglich?« fragte er.
»Ja«, antwortete Tanis, »aus dem wenigen, was Alhana mir erzählt hat, sprach während der Prüfungen im Turm der Erzmagier von Istar eine Kugel der Drachen zu Lorac, sie bat ihn, sie aus einer drohenden Katastrophe zu retten.«
»Und er gehorchte?« fragte Raistlin, seine Stimme war so weich wie das murmelndeWasser des uralten Flusses.
»Ja. Er brachte die Kugel nach Silvanesti.«
»Das ist also die Kugel der Drachen von Istar«, flüsterte Raistlin. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, dann seufzte er, es war ein sehnsüchtiges Seufzen. »Ich weiß nichts über die Kugeln der Drachen«, bemerkte er kühl, »außer dem, was ich euch bereits gesagt habe. Aber ich weiß, Halb-Elf, daß keiner von uns heil aus Silvanesti herauskommen wird, falls wir
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