Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
durchsucht. Die Suche war nicht gut verlaufen. Immer wieder mußten sie gegen bösartige Walroß-Menschen, Winterwölfe und Bären kämpfen. Die Gefährten begannen zu denken, daß sie umsonst gekommen waren, aber Tolpan schwor, daß in dem Buch in Tarsis gestanden hätte, daß sich hier eine Kugel befände. Und so hatten sie ihre Suche fortgesetzt.
Es geschah während ihrer Suche, daß sich ihnen einmal ein verblüffender Anblick bot – ein riesiger Drache, dessen Haut silbrig schimmerte und der in einer Eiswand völlig eingeschlossen war. Die Flügel des Drachen waren ausgebreitet, zum Flug bereit. Die Miene des Drachen war wild, aber sein Kopf war nobel, und er vermittelte ihnen nicht das Gefühl von Furcht und Abscheu, wie sie es bei den roten Drachen erlebt hatten. Statt dessen empfanden sie eine starke überwältigende Trauer um diese edle Kreatur.
Aber am seltsamsten war für sie, daß dieser Drache einen Reiter trug! Sie hatten die Drachenfürsten auf ihren Drachen reiten sehen, aber dieser Mann schien, nach seiner uralten Rüstung zu urteilen, ein Ritter von Solamnia zu sein! In seiner behandschuhten Faust hielt er den zerbrochenen Schaft einer Waffe, möglicherweise einer riesigen Lanze.
»Warum würde ein Ritter von Solamnia einen Drachen reiten?« fragte Laurana und dachte an die Drachenfürsten.
»Es gab Ritter, die sich dem Bösen zugewendet hatten«, sagte Lord Derek Kronenhüter barsch. »Obwohl es mich beschämt, es zugeben zu müssen.«
»Ich spüre hier nichts Bösartiges«, sagte Elistan. »Nur große Trauer. Ich frage mich, wie sie gestorben sind. Ich sehe keine Verletzungen...«
»Es kommt mir bekannt vor«, unterbrach Tolpan und runzelte die Stirn. »Wie ein Bild. Ein Ritter auf einem silbernen Drachen. Ich habe...«
»Pah!« schnaufte Flint. »Du hast Elefanten in Pelzen gesehen...«
»Ich meine es ernst«, protestierte Tolpan.
»Wo war das, Tolpan?« fragte Laurana sanft, den verletzten Gesichtsausdruck des Kenders bemerkend. »Kannst du dich erinnern?«
»Ich glaube...«, TolpansAugen verloren sich in der Ferne.
»Ich verbinde es mit Pax Tharkas und Fizban...«
»Fizban!« explodierte Flint. »Dieser alte Magier war noch verrückter als Raistlin, falls das überhaupt möglich ist.«
»Ich weiß nicht, worüber Tolpan redet«, sagte Sturm und sah nachdenklich zu dem Drachen und seinem Reiter hoch. »Aber ich erinnere mich an meine Mutter, die mir erzählt hat, daß Huma auf einem Silberdrachen ritt und in seiner letzten Schlacht die Drachenlanze trug.«
»Und ich erinnere mich, wie meine Mutter mich anwies, den Kuchen für den weißgekleideten Alten aufzubewahren, der zur Weihnachtszeit auf unser Schloß kam«, spottete Derek. »Nein, das ist zweifellos ein abtrünniger Ritter, vom Bösen versklavt.«
Derek und die beiden jungen Ritter wandten sich zum Gehen, aber die anderen blieben stehen und starrten weiter die Gestalt auf dem Drachen an.
»Du hast recht, Sturm. Das ist eine Drachenlanze«, sagte Tolpan versonnen. »Ich weiß nicht, warum, aber ich bin mir dessen ganz sicher.«
»Hast du eine in dem Buch in Tarsis gesehen?« fragte Sturm, während er mit Laurana Blicke tauschte. Beide fanden die Ernsthaftigkeit des Kenders ungewöhnlich, fast beängstigend.
Tolpan zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht«, sagte er mit seiner hohen Stimme. »Es tut mir leid.«
»Vielleicht sollten wir sie mitnehmen«, schlug Laurana unruhig vor. »Es könnte nicht schaden.«
»Komm schon, Feuerklinge!« drang Dereks Stimme zu ihnen herüber. »Die Thanoi haben uns vielleicht im Augenblick verloren, aber sie werden nicht lange brauchen, um unsere Spuren zu entdecken.«
»Wie kommen wir da ran?« fragte Sturm, Dereks Befehl ignorierend. »Sie ist völlig im Eis eingeschlossen.«
»Ich kann es«, sagte Gilthanas.
Er sprang auf einen riesigen Eisvorsprung, der sich um den Drachen und seinen Reiter gebildet hatte, fand festen Halt und begann, sich Stück für Stück weiterzubewegen. Vom gefrorenen Flügel des Drachens aus konnte er auf Händen und Knien weiterkriechen, bis er die Lanze erreichte, die in der Hand des Reiters ruhte. Gilthanas drückte seine Hand gegen die Eiswand, die die Lanze bedeckte, und sprach in der eigentümlichen Sprache der Magie.
Ein rotes Glühen verbreitete sich von seiner Hand auf das Eis und schmolz es. Innerhalb von Sekunden konnte er mit seiner Hand durch das Loch die Lanze erreichen.Aber sie steckte fest in der Hand des toten Ritters.
Gilthanas zog
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