Die Chronik der Drachenlanze 5 + 6
dich sehr ungern«, seine immer schwächer werdenden Augen ruhten auf Tanis, »gerade wenn du mich brauchst. Aber ich habe dir alles beigebracht, was ich weiß, Bursche. Alles wird gut werden. Ich weiß ... gut ...«
Seine Stimme erstarb, er schloß seine Augen, sein Atem ging schwerer. Tanis hielt seine Hand fest. Tolpan vergrub sein Gesicht
an Flints Schulter. Dann erschien Fizban, stellte sich vor Flints Füße.
Der Zwerg öffnete die Augen. »Ich weiß jetzt, wer du bist«, sagte er leise, seine Augen leuchteten, als er Fizban ansah.»Du kommst mit mir, nicht wahr? Zumindest den Anfang der Reise ... damit ich nicht so allein bin. Ich bin so lange mit Freunden gewandert, daß ich ... irgendwie ein komisches Gefühl habe ... so allein aufzubrechen.«
»Ich komme mit dir«, versprach Fizban. »Schließe deine Augen und ruh dich aus, Flint. Die Probleme dieser Welt sind nicht mehr deine. Du hast es verdient, zu schlafen.«
»Schlafen«, sagte der Zwerg lächelnd. »Ja, genau das brauche ich. Weck mich, wenn du bereit bist ... weck mich, wenn es Zeit zum Aufbruch ...« Flint schloß die Augen. Er atmete mühelos ein, dann atmete er aus . . .
Tanis drückte die Hand des Zwerges an seine Lippen. »Leb wohl, alter Freund«, flüsterte der Halb-Elf, dann legte er die Hand auf Flints Brust.
»Nein! Flint! Nein!«Wild schreiend warf sich Tolpan auf den Zwerg. Sanft hob Tanis den schluchzenden Kender in seine Arme. Tolpan trat und schlug, aber Tanis hielt ihn wie ein Kind fest, und schließlich gab Tolpan erschöpft auf. Er klammerte sich an Tanis und weinte bitterlich.
Tanis streichelte über den Zopf des Kenders, als er plötzlich aufsah.
»Warte! Was machst du da, alter Mann!« schrie er.
Tanis setzte Tolpan ab und erhob sich schnell. Der zerbrechliche alte Magier hatte Flint in seine Arme gehoben und ging, wie Tanis bestürzt beobachtete, auf den seltsamen Kreis aus Steinen zu.
»Halt!« befahl Tanis. »Wir müssen ihm ein ordentliches Begräbnis geben, ein Hügelgrab errichten.«
Fizban drehte sich zu Tanis um. Er hielt den schweren Zwerg sanft und mit Leichtigkeit in den Händen.
»Ich habe ihm versprochen, daß er nicht allein reisen würde«, sagte Fizban einfach.
Dann drehte er sich wieder um und setzte seinen Weg fort. Tanis lief nach einem Moment des Zögerns hinterher. Die anderen standen wie festgewachsen da und starrten Fizban nach.
Es schien für Tanis einfach, den alten Mann, der solch eine Last trug, einzuholen. Aber Fizban bewegte sich unglaublich schnell, fast als ob er und der Zwerg leicht wie Schnee wären. Plötzlich wurde sich Tanis seines eigenen Gewichtes bewußt, und er hatte den Eindruck, als würde er versuchen, die Andeutung eines in den Himmel schwebenden Rauchwölkchens zu fangen. Dennoch taumelte er hinterher und erreichte sie gerade in dem Moment, als der alte Magier mit dem Zwerg in den Kreis mit den Findlingen trat.
Tanis quetschte sich zwischen die Steine, wußte nur, daß er diesen verrückten alten Magier aufhalten und den Leichnam seines Freundes zurückholen mußte.
Dann hielt er im Kreis inne. Er glaubte, vor einem Wasserbecken zu stehen. DasWasser war so still, daß nichts seine glatte Oberfläche verunstaltete. Dann sah er, daß es kein Wasser war – es war ein Becken aus spiegelglattem, schwarzem Stein! Die tiefschwarze Oberfläche war zu vollem Glanz poliert. Das Becken erstreckte sich vor Tanis wie die Dunkelheit der Nacht, und als Tanis in seine schwarzen Tiefen blickte, war er überrascht, wirklich Sterne zu sehen! Sie waren so deutlich, daß er aufsah und halb erwartete, daß die Nacht angebrochen war, obwohl er wußte, daß es erst Nachmittag war. Der Himmel über ihm war azurblau, kalt und klar, ohne Sterne, ohne Sonne. Benommen und schwach fiel Tanis neben dem Becken auf die Knie und starrte wieder auf seine polierte Oberfläche. Er sah die Sterne, er sah die Monde, er sah drei Monde, und seine Seele erbebte, denn der schwarze Mond, nur sichtbar für die mächtigen Magier der Schwarzen Roben, war nun sichtbar für ihn – wie ein dunkler, aus der Schwärze herausgeschnittener Kreis. Er konnte sogar die klaffenden Löcher erkennen, wo die Konstellationen der Königin der Finsternis und des Tapferen Kriegers einst den Himmel geschmückt hatten.
Tanis fielen Raistlins Worte ein: Beide verschwunden. Sie ist
nach Krynn gekommen, Tanis, und er ist gekommen, um sie zu bekämpfen . . .
Er sah auf. Fizban trat auf den schwarzen Stein, Flints Leichnam in
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