Die Chronik der Drachenlanze 5 + 6
Gedanken an den Zwerg – und den alten Mann – beiseite. Er hatte jetzt genug Sorgen, und es gab keine alten Magier, die ihm halfen.
»Ich weiß nicht, was da los ist«, erwiderte Tanis ruhig, »aber es arbeitet für uns, nicht gegen uns. Erinnerst du dich, was Elistan einst gesagt hat? In den Scheiben von Mishakal steht geschrieben, daß sich das Böse gegen sich selbst richtet. Die Dunkle Königin sammelt ihre Kräfte, einerlei aus welchen Gründen. Wahrscheinlich bereitet sie sich darauf vor, Krynn den letzten tödlichen Schlag zu versetzen. Aber in dieser Verwirrung können wir mühelos hineinschlüpfen. Niemand wird zwei Wachen bemerken, die eine Gruppe von Gefangenen bringen.«
»Das hoffst du«, fügte Caramon düster hinzu.
»Ich bete darum«, sagte Tanis leise.
Der Hauptmann der Torwache von Neraka war ein schwergeprüfter Mann. Die Dunkle Königin hatte nun zum zweiten Mal seit Kriegsbeginn einen Kriegsrat einberufen, und alle Drachenfürsten aus ganz Ansalon trafen ein. Seit vier Tagen hielten sie ihren Einzug in Neraka, und seitdem war das Leben des Hauptmannes ein einziger Alptraum.
Die Fürsten sollten die Stadt gemäß ihrem Rang betreten. Also traf Lord Ariakus als erster mit seinem persönlichen Gefolge ein – mit seinen Soldaten, seinen Leibwächtern, seinen Drachen; dann folgte Kitiara, die Finstere Herrin, mit ihrem persönlichen Gefolge – mit ihren Soldaten, ihren Leibwächtern, ihren Drachen; dann Lucien von Takar mit seinem persönlichen Gefolge, bis hin zum Drachenfürsten Toede von der östlichen Front.
Dieses System war nicht nur entworfen worden, um die Ranghöchsten zu ehren. Es stand die Absicht dahinter, große Mengen von Soldaten und Drachen sowie ihre Vorräte in einen Komplex hinein- und wieder aus ihm hinauszubewegen, der niemals für die Beherbergung großer Konzentrationen von Streitkräften vorgesehen war. Es war ein gutes System und hätte funktionieren können. Unglücklicherweise gab es von Anfang an Schwierigkeiten, da Lord Ariakus sich um zwei Tage verspätete.
War das Absicht gewesen, um diese Verwirrung zu schaffen, von der er genau wußte, daß sie eintreten würde? Der Hauptmann wußte es nicht und wagte auch nicht zu fragen, aber er hatte seine eigenen Theorien. Das bedeutete natürlich, daß die Fürsten, die vor Ariakus eintrafen, gezwungen waren, in der Ebene außerhalb des Tempelareals ihr Lager aufzuschlagen, bis der Lord seinen Einzug gehalten hatte. Ärger war unvermeidlich. Die Drakonier, Goblins und menschlichen Söldner wollten die Vergnügungen der Lagerstadt genießen, die hastig auf dem Tempelareal errichtet worden war. Sie waren lange Strecken marschiert und verständlicherweise wütend, daß ihnen dieses Vergnügen versagt wurde.
Viele schlichen nachts über die Mauern, von den Tavernen
angezogen wie Fliegen vom Honig. Raufereien brachen aus, denn die Soldaten eines Fürsten waren nur ihrem Herrscher treu ergeben und keinem anderen. DieVerliese unter dem Tempel waren überfüllt. Der Hauptmann befahl schließlich seinen Männern, die Betrunkenen jeden Morgen in Schubkarren aus der Stadt zu befördern und sie in der Ödnis abzuladen, wo sie von ihren zornigen Kommandanten aufgesammelt wurden.
Streitereien entfachten sich auch bei den Drachen, da jeder Leitdrache versuchte, die Herrschaft über die anderen zu übernehmen. Ein großer Grüner, Cyan Blutgeißel, hatte sogar einen Roten im Kampf um einen Hirsch getötet. Pech für Cyan, denn der Rote war ein Lieblingstier der Dunklen Königin gewesen. Der Grüne war jetzt in einer Höhle unterhalb von Neraka eingesperrt, wo sein Heulen und heftiges Schwanzwedeln Anlaß zu der Befürchtung gab, ein Erdbeben wäre im Anmarsch.
Als der Hauptmann am Morgen des dritten Tages die Nachricht erhielt, daß Ariakus eingetroffen sei, fiel er vor Dankbarkeit fast auf die Knie. Eilig rief er seine Männer zusammen und erteilte Anweisungen für den großen Einzug.Alles verlief glatt, bis einige hundert Drakonier von Toede Ariakus’ Soldaten das Tempelareal betreten sahen. Betrunken und nicht mehr unter der Kontrolle ihrer unfähigen Vorgesetzten, versuchten sie auch, einzumarschieren. Über diese Störung aufgebracht, gaben Ariakus’ Offiziere ihren Männern den Befehl, zurückzuschlagen. Chaos setzte ein.
Wütend schickte die Dunkle Königin ihre eigenen Soldaten, die mit Peitschen, Stahlketten und Keulen die Ordnung wiederherstellen sollten. Schwarzgewandete Zauberkundige sowie dunkle Kleriker
Weitere Kostenlose Bücher