Die Chronik der Drachenlanze 5 + 6
Schloß.
Es klickte, als sich das Schloß öffnete. Und mit dem Klicken kam ein anderes Geräusch, ein knirschendes, kaum hörbares Geräusch. Die Falle war zugeschnappt.
Mit aufgerissenen Augen starrte Tolpan auf den winzigen Blutfleck an seinem Finger, dann auf die kleine goldene Nadel, die aus dem Schloß ragte. Die Drakonier hatten ihn jetzt bei den Schultern gepackt. Tolpan ignorierte sie. Es spielte sowieso keine Rolle mehr. Er spürte einen stechenden Schmerz im Finger, und bald würde sich der Schmerz über seinen Arm und dann auf seinen ganzen Körper ausbreiten.
Wenn er mein Herz erreicht, werde ich nichts mehr spüren, dachte er verträumt. Ich werde überhaupt nichts mehr spüren.
Dann hörte er Hörner, schmetternde Hörner, Messinghörner. Er hatte solche Hörner schon einmal gehört. Wo? Ach ja. Es war in Tarsis gewesen, kurz bevor die Drachen angegriffen hatten.
Und dann waren die Drakonier plötzlich verschwunden – sie hatten ihn losgelassen und waren hektisch in den Korridor zurückgelaufen.
»Muß eine Art Generalalarm sein«, dachte Tolpan, der mit Interesse verfolgte, daß seine Beine ihn nicht mehr tragen wollten. Er glitt auf den Boden neben Tika. Er streckte eine zitternde Hand aus und streichelte sanft ihre schönen roten Locken, die jetzt mit Blut verschmiert waren. Ihr Gesicht war weiß, ihre Augen geschlossen.
»Es tut mir leid, Tika«, sagte Tolpan mit zugeschnürter Kehle. Der Schmerz breitete sich schnell aus, seine Finger und Füße waren bereits starr. Er konnte sie nicht mehr bewegen. »Es tut mir leid, Caramon. Ich habe es versucht, wirklich versucht ...« Leise weinend lehnte sich Tolpan an die Tür und wartete auf die Dunkelheit.
Tanis konnte sich nicht bewegen, und einen Moment lang, als er Lauranas herzzerreißendes Schluchzen hörte, hatte er auch nicht das Bedürfnis, sich zu bewegen. Statt dessen betete er zu einem gnädigen Gott, ihn zu erschlagen, während er vor der Dunklen Königin kniete. Aber die Götter erfüllten ihm nicht seinen Wunsch. Der Schatten hob sich, als sich die Aufmerksamkeit der Königin von ihm wegbewegte. Tanis taumelte auf die Füße, sein Gesicht vor Scham gerötet. Er konnte Laurana nicht ansehen, er wagte nicht einmal, Kitiaras Augen zu begegnen, da er sich ihres Spotts sicher war.
Aber Kitiara hatte Wichtigeres im Sinn. Dies war der Augenblick ihres Ruhms. Alles lief nach Plan. Sie streckte ihre Hand aus und fing Tanis mit ihrem kräftigen Griff ab, als dieser vortreten wollte, Laurana zu begleiten. Kühl schob sie ihn zur Seite und stellte sich vor ihn.
»Schließlich wünsche ich einen meiner Diener zu belohnen, der mir bei der Gefangennahme der Elfenfrau geholfen hat. Fürst Soth bat um die Seele dieser Lauralanthalasa, damit er seine Rache an der Elfenfrau, die vor langer Zeit den Fluch auf ihn geworfen hat, nehmen kann. Wenn er schon verdammt ist, in ewiger Dunkelheit zu leben, dann bittet er, daß diese Elfenfrau sein Leben im Tod mit ihm teilt.«
»Nein!« Laurana hob ihren Kopf, Furcht und Entsetzen durchbohrten ihre betäubten Sinne. »Nein«, wiederholte sie mit ersterbender Stimme.
Sie trat einen Schritt zurück und sah sich panisch nach Fluchtmöglichkeiten um, aber es gab keine. Unter ihr waren die Drakonier, die erwartungsvoll zu ihr hinaufsahen.Vor Verzweiflung würgend, blickte sie noch einmal zu Tanis. Sein Gesicht wirkte düster und gefährlich; er sah sie nicht an, sondern starrte mit brennenden Augen zu der menschlichen Frau. Laurana bedauerte bereits ihren erbärmlichen Ausbruch und beschloß, lieber zu sterben, als weiter Schwäche zu zeigen. Sie richtete sich stolz auf, hob ihren Kopf, gewann ihre Beherrschung wieder.
Tanis sah Laurana nicht. Kitiaras Worte rasten wie sein Blut durch seinen Kopf, vernebelten seinen Blick und seine Gedanken.
Wütend tat er zu Kitiara. »Du hast mich betrogen!« würgte er hervor. »Das war nicht Teil unserer Abmachung!«
»Sei ruhig!« befahl Kit mit ruhiger Stimme. »Oder du wirst alles vermasseln!«
»Was ...«
»Halt den Mund!« schnappte Kitiara böse.
Dein Geschenk erfreut uns, Fürstin Kitiara. Wir gewähren dir deine Wünsche. Die Seele der Elfenfrau wird Fürst Soth gegeben, und wir nehmen den Halb-Elfen in unsere Dienste. In Anerkennung dessen wird er sein Schwert zu Füßen von Lord Ariakus niederlegen.
»Nun mach schon!« befahl Kitiara kühl, ihre Augen ruhten auf Tanis. Die Augen aller Anwesenden im Saal ruhten auf dem Halb-Elfen.
Seine Gedanken
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