Die Chronik der Drachenlanze 5 + 6
verloren. Als er herabschaute, sah er sein eigenes Blut die purpurne Robe beflecken, der Fleck wurde mit jeder Sekunde größer, während sein Leben aus der Herzwunde strömte. Der Tod kam, er beanspruchte ihn.Ariakus konnte ihn
nicht länger hinhalten. Verzweifelt kämpfte der Drachenfürst gegen die Dunkelheit an, schrie zu seiner Dunklen Königin um Hilfe.
Aber sie ließ Schwächlinge im Stich. So wie sie Ariakus beobachtet hatte, als er seinen Vater tötete, so beobachtete sie jetzt Ariakus selbst beim Sterben, ihr Name war das letzte Wort, das über seine Lippen kam.
Ein schreckliches Schweigen zog durch die Empfangshalle, als Ariakus zu Boden stürzte. Die Krone der Macht fiel klirrend von seinem Kopf und blieb in einem Gewirr aus Blut und dichten schwarzen Haaren liegen.
Wer würde sie beanspruchen?
Ein durchdringender Schrei stieg auf. Kitiara rief einen Namen, schrie jemandem etwas zu.
Tanis konnte es nicht verstehen. Es kümmerte ihn auch nicht. Er streckte seine Hand nach der Krone aus.
Plötzlich materialisierte sich vor ihm eine Gestalt in schwarzer Rüstung.
Fürst Soth!
Das Gefühl schierer Panik und schieren Entsetzens bekämpfend, hielt Tanis sein Bewußtsein auf eine Sache fixiert. Die Krone war nur wenige Zentimeter von ihm entfernt. Verzweifelt griff er nach ihr. Dankbar fühlte er das kalte Metall in seiner Hand, als eine andere Hand – eine Skeletthand – auch danach griff.
Sie gehörte ihm! Soths brennende Augen flackerten auf. Die Skeletthand holte aus, um ihm die Beute gewaltsam zu entreißen. Tanis konnte Kitiaras Stimme hören, die zusammenhanglos Befehle kreischte.
Aber als er das blutverschmierte Stück Metall über seinen Kopf ziehen wollte, als seine Augen ohne Angst auf Fürst Soth haften blieben, wurde das Schweigen im Saal vom Klang von Hörnern, von schmetternden Hörnern durchbrochen.
Fürst Soths Hand blieb in der Luft stehen, Kitiaras Stimme verstummte plötzlich.
Ein unterdrücktes, unheilvolles Murmeln fuhr durch die
Menge. Einen Moment lang dachte Tanis in seinem schmerzumwölkten Verstand, daß die Hörner zu seinen Ehren ertönten. Aber dann, als er seinen Kopf zur Halle drehte, sah er Gesichter, die sich beunruhigt umschauten. Alle – sogar Kitiara – sahen zur Dunklen Königin.
Die dunklen Augen Ihrer Dunklen Majestät hatten auf Tanis geruht, aber jetzt war ihr Blick abgelenkt. Ihr Schatten wuchs und intensivierte sich, verbreitete sich durch die Halle wie eine dunkle Wolke. Auf einen stummen Befehl reagierend, eilten Drakonier, die ihr schwarzes Emblem trugen, von ihren Plätzen und verschwanden durch die Türen. Die schwarzgekleidete Gestalt, die Tanis neben der Königin stehen gesehen hatte, war nicht mehr da.
Und immer noch erschollen die Hörner. Tanis starrte gelähmt auf die Krone in seiner Hand. Zweimal zuvor hatten die Hörner Tod und Zerstörung gebracht. Was hatte das entsetzliche Omen dieser Musik diesmal zu bedeuten?
D er Klang der Hörner war so laut und erschrekkend, daß Caramon fast den Halt auf den nassen Steinen verlor. Berem fing ihn auf. Beide Männer sahen sich nervös um, als die schmetternden Hörnersignale in die kleine Kammer dröhnten. Von den Stufen konnten sie antwortende Hörnerrufe hören.
»Der Bogengang! Eine Falle!« wiederholte Caramon. »Nun, das wär’s dann wohl. Jedes Lebewesen im Tempel weiß, daß wir hier sind! Ich hoffe bei den Göttern, daß du weißt, was du tust!«
»Jasla ruft . . .«, wiederholte Berem. Seine anfängliche Beunruhigung
über die Hörner war verschwunden, und er ging weiter, Caramon mit sich ziehend.
Caramon folgte mit der Fackel, da er nicht wußte, was er sonst hätte tun sollen. Der Bogengang führte zu Steinstufen, und diese wiederum zu einem schwarzen, schnellfließenden Strom. Caramon leuchtete mit der Fackel umher, hoffte, daß es einen Pfad am Rand des Stromes geben könnte. Aber es gab nichts, zumindest nicht in ihrer Nähe.
»Warte ...«, schrie er, aber Berem war bereits in das schwarze Gewässer gestiegen. Caramon hielt den Atem an, erwartete, den Mann in den wirbelnden Tiefen verschwinden zu sehen. Aber das schwarze Gewässer war nicht so tief, wie es aussah, es reichte nur bis zu Berems Waden.
»Komm!« winkte er Caramon zu.
Caramon tastete wieder nach seiner Wunde. Sie blutete weniger, der Verband war feucht, aber nicht blutgetränkt. Der Schmerz jedoch war immer noch stark. Sein Kopf dröhnte, und er war von der Angst und vom Laufen und vom Blutverlust so
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