Die Chronik der Drachenlanze 5 + 6
schien nach Laurana mit nichts als Luft zu greifen. Aber sie schrie vor Schmerzen auf und sackte bei dem entsetzlichen Anblick in die Knie. Ihr Kopf fiel nach vorn, sie brach zusammen, betäubt von der eisigen Berührung. Der Ritter löste seinen Griff und ließ ihren schlaffen Körper zu Boden gleiten. Er beugte sich runter und hob sie auf seine Arme.
Tolpan wollte sich bewegen, aber der Ritter wandte ihm seinen flackernden orangefarbenen Blick zu, und der Kender blieb stehen und sah in die orangefarbenen Flammenaugen der Kreatur. Weder er noch Flint konnte den Blick abwenden, obwohl das Entsetzen so groß war, daß der Zwerg befürchtete, den Verstand zu verlieren. Nur seine Liebe und seine Sorge um Laurana bewahrten ihn vor dem Wahnsinn. Immer wieder befahl er sich, etwas zu unternehmen, sie zu retten. Aber sein zitternder Körper gehorchte ihm nicht. Der Blick des Ritters glitt über beide.
»Geht nach Kalaman zurück«, sagte eine hohle Stimme. »Sagt ihnen, daß die Elfenfrau in unserer Gewalt ist. Die Finstere Herrin wird morgen mittag kommen und die Übergabebedingungen bekanntgeben.«
Der Ritter wandte sich um und stieg über Bakaris’ Körper. Die schimmernde Gestalt trat direkt in die Leiche, als ob sie nicht existieren würde. Dann verschwand der Ritter mit Laurana auf seinen Armen im dunklen Wald.
Mit dem Ritter war der Zauber verschwunden. Tolpan, der sich schwach und elend fühlte, begann unbeherrscht zu zittern. Flint erhob sich mühsam.
»Ich gehe hinterher...«, murmelte der Zwerg, obwohl seine Hände so heftig zitterten, daß er seinen Helm kaum aufheben konnte.
»N... nein«, stammelte Tolpan mit verkrampftem und bleichem Gesicht, als er dem Ritter hinterherstarrte. »Was auch immer das war, wir können es nicht bekämpfen. Ich...ich hatte Angst, Flint!« Der Kender schüttelte in seiner Not den Kopf.
»Es... es tut mir leid, aber ich kann diesem – diesem Ding nicht noch einmal gegenüberstehen! Wir müssen nach Kalaman zurück. Vielleicht gibt es dort Hilfe...«
Tolpan begann zu laufen. Einen Moment lang stand Flint wütend und unentschlossen da und starrte in die Richtung, in der Laurana verschwunden war. Dann verzerrte sich sein Gesicht vor Verzweiflung. »Er hat recht«, murmelte er. »Ich kann diesem Ding auch nicht folgen. Was auch immer es war, es war nicht von dieser Welt.«
Als Flint sich umdrehte, fiel sein Blick auf Bakaris, der unter Lauranas Umhang lag. Ein Schmerz griff nach seinem Herzen. Nicht darauf achtend, sagte sich Flint mit plötzlicher Gewißheit: »Er hat über Tanis Lügen erzählt. Und auch Kitiara. Tanis ist nicht bei ihr, das weiß ich!« Der Zwerg ballte seine Faust. »Ich weiß nicht, wo er ist, aber eines Tages werde ich ihm gegenübertreten müssen, und dann muß ich ihm sagen... Ich habe ihn enttäuscht. Er hat sie mir anvertraut, und ich habe versagt!«
Der Zwerg schloß seine Augen. Dann hörte er Tolpan schreien. Seufzend stolperte er wie blind hinter dem Kender her, seinen linken Arm beim Laufen reibend. »Wie kann ich ihm das je sagen?« stöhnte er. »Wie?«
I n Ordnung«, sagte Tanis und starrte wütend auf den Mann, der so ruhig und gelassen vor ihm saß. »Ich will Antworten. Du hast uns absichtlich in den Mahlstrom geführt! Warum? Wußtest du von diesem Ort? Wo sind wir? Wo sind die anderen?«
Berem saß vor Tanis auf einem Holzstuhl. Der Stuhl war mit Vögel- und Tierabbildungen reich verziert in einem bei den Elfen beliebten Stil. In der Tat wurde Tanis stark an Loracs Thron in dem verdammten Elfenkönigreich Silvanesti erinnert. Die Ähnlichkeit konnte ihn jedoch keineswegs beruhigen, und Berem
krümmte sich unter den wütenden Blicken des Halb-Elfen. Die Hände, die für den Körper des älteren Mannes zu jung waren, zupften an seiner schäbigen Hose. Er hob seinen Blick und musterte nervös die seltsame Umgebung.
»Verdammt noch mal! Antworte mir!« tobte Tanis. Er warf sich auf Berem, packte ihn an seinem Hemd und riß ihn aus dem Stuhl. Dann fuhren seine Hände zur Kehle des Mannes.
»Tanis!« Goldmond erhob sich schnell und legte eine Hand auf seinen Arm. Aber der Halb-Elf war wie von Sinnen. Sein Gesicht war vor Furcht und Wut verzerrt, sie erkannte ihn kaum wieder. Hektisch riß sie an den Händen, die Berem festhielten. »Flußwind, halte ihn auf!«
Der große Mann von den Ebenen packte Tanis an den Handgelenken und zog ihn von Berem weg.
»Laß ihn in Ruhe, Tanis!«
Einen Moment lang sträubte sich Tanis, dann
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