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Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)

Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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knurrend und schubsend ab.
    Der mit Raureif überzogene Ruheplatz der Wölfe schimmerte im Mondschein und bisweilen hoben die Wölfe ihre Schnauzen und heulten die bleiche Scheibe am Himmel an. Torak lauschte den noch unsicheren Stimmen der Jungtiere und dem kräftigen, festen Geheul ihrer Eltern. Es war einfach unvorstellbar, sie zu verlassen. Am schlimmsten war, dass er Wolf nichts davon erzählen durfte. Er wollte seinen Rudelgefährten nicht in den quälenden Zwiespalt stürzen, entweder mit ihm aufzubrechen und seine Familie im Stich zu lassen oder seinem Rudelgefährten zugunsten seiner Familie den Rücken zuzukehren.
    Wolf, der Toraks gedrückte Stimmung spürte, unterbrach sein Heulen und trabte zu ihm hinüber. Schneeflocken bedeckten sein dichtes Winterfell, aber seine Zunge schleckte warm über Toraks Wange.
    Du bist traurig , sagte er.
    Nein , log Torak.
    Wolf schmiegte sich tröstend an ihn.
    Sicher aufgehoben beim Rudel schlief Torak ohne Angst vor den grauen Motten der Eulenschamanin bis zum Morgengrauen. Die Welpen lagen beisammen, Schneeflocken bepuderten ihr Fell, Dunkelfell und Wolf hatten sich dicht neben den Kleinen zusammengerollt.
    Still schickte Torak das Feuer in den Schlaf und schulterte seine Ausrüstung.
    Wolfs Pfoten zuckten im Traum, doch als Torak neben ihm niederkniete, schlug er die Augen auf und wedelte kurz mit dem Schwanz. Gehst du auf die Jagd? , fragte er und stellte ein Ohr schräg.
    Ja , erwiderte Torak in der Wolfssprache. Zum Abschied barg er das Gesicht in der Nackenkrause seines Rudelgefährtes und sog den geliebten Geruch tief ein. Dann riss er sich los.
    Der Morgen war bitterkalt. Die dünne Eiskruste knirschte unter Toraks Stiefeln. Etwas weiter oben hatte der Wind die Schneedecke von einem flach am Boden wachsenden Strauch Bärentrauben gefegt. Die scharlachroten Beeren glichen einer Blutlache. An einer Stelle fand Torak eine graue Motte auf dem Boden. Als er sie mit der Stiefelspitze berührte, zerfiel sie zu Staub.
    Je weiter er kam, desto mehr tote Motten lagen überall im Unterholz. Der Frost hatte der Plage ein Ende bereitet.
    Oder, dachte er plötzlich beklommen, Eostra benötigt sie nicht mehr. Vielleicht haben sie ihre Aufgabe erfüllt.

Kapitel 3

    »Hörst du sie denn nicht?«, flüsterte der kranke Junge.
    »Wen denn?«, fragte Renn.
    » Die Dämonen … «
    Renn nahm einen brennenden Scheit aus dem Feuer und leuchtete in jede Ecke der Eberclanhütte. »Sieh doch selbst, Aki. Hier sind keine Dämonen.«
    »Die Motten haben sie angezogen«, murmelte er und wiegte sich vor und zurück. »Jetzt wollen sie nicht mehr von mir ablassen.«
    »Aber hier ist doch nichts …«
    Da packte er ihren Arm und hauchte ihr ins Ohr: » Sie halten sich in meinem Schatten versteckt. «
    Renn wich erschrocken zurück.
    Der Junge blickte sich ängstlich um. »Ich höre sie die ganze Zeit. Ihre schnappenden Kiefer. Ihr wütendes Schnaufen. Am Morgen, wenn mein Schatten lang ist, sehe ich sie. Mittags, wenn mein Schatten näher kriecht, sind sie in mir. Sie sind unter meiner Haut, sie nagen an meiner Seele. Weg! Weg mit euch!« Er schlug nach seinem Schatten.
    Renn überlegte, was sie tun sollte. Sie war erschöpft. Seit Tagen hatte sie alles versucht, um die grauen Motten vom Eberclan abzuhalten. Der Schamane des Clans lag im Fieber und war außer Gefecht gesetzt.
    Akis Finger fingen an zu bluten, als er sie in die Schlafmatte krallte. Renn versuchte vergeblich, ihn daran zu hindern. Der Junge war zu stark. Sie rief um Hilfe. Akis Vater eilte herbei und nahm seinen Sohn fest in die Arme. Ein zweiter, vom Fieber sichtlich ausgezehrter Mann beschrieb mit einem spiralförmigen Amulett das Zeichen der Hand.
    »Aki glaubt, in seinem Schatten halten sich Dämonen auf«, sagte Renn zu dem Schamanen.
    Er nickte. »Ich habe gerade zwei Kranke gesehen, die an derselben Krankheit leiden. Renn, wenn wir sie haben, ist die Krankheit inzwischen bestimmt auch bei euch ausgebrochen. Mir geht es wieder besser. Geh zu deinem Clan zurück.«
     
    Die Eber hatten ihr Lager am Kollersteinbach aufgeschlagen, ungefähr einen Tagesmarsch von den Raben entfernt, aber im dichten Nebel kam Renn nur langsam voran. Während sie vorwärtsstolperte, dachte sie an die grauen Motten und an Eostra, die Maskierte. Vor lauter Angst zuckte sie bei jedem herabfallenden Blatt zusammen und bereute aus tiefstem Herzen, dass sie das Angebot des Eberanführers, sie zu begleiten, ausgeschlagen hatte.
    Vor Erschöpfung

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