Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
Vom Netzwerk:
konnten wir … Oh, es geht los!“
    Tatsächlich: Auf einer freien Fläche zwischen den Kochfeuern versammelte sich eine Gruppe von Männern und Frauen, die dunkle Fächer aus Vogelfedern in den Händen hielten. Während die Männer begannen mit ihren Füßen den Rhythmus des nun beginnenden Liedes zu stampfen, stimmten die Frauen einen Gesang an, den Erich mit nichts vergleichen konnte, was er bisher gehört hatte. Ihre Stimmen waren klar zu hören, aber darüber legte sich ein schwebendes Pfeifen, das keinen Ursprung zu haben schien. Erich konnte auch den Text des Liedes nicht verstehen, aber aus den Bewegungen der Sänger wurde deutlich, dass es wohl um eine Schlacht gehen musste, oder zumindest um einen Kampf. Die Frauen und Männer schwangen ihre Fächer wie Schilde und Waffen und wichen rhythmisch vor imaginären Feinden zurück, bevor sie erneut vorschnellten um anzugreifen. Erich und die anderen waren gefesselt von diesem Schauspiel, das ihnen mit der Präzision einer militärischen Einheit dargeboten wurde, auch wenn einige der schieläugigen Hürnin unter den Tänzern waren, die nicht ganz mit den anderen mithalten konnten. Das Lied steigerte sich zu einem Crescendo und brach schließlich mit einem lauten Kriegsschrei abrupt ab, bei dem die Hälfte der Tänzer sich zu Boden fallen ließ.
    Die umstehenden Hürnin taten ihre Begeisterung kund, indem sie kräftig mit ihren Füßen auf den Boden stampften. Erich und die anderen folgten ihrem Beispiel und warteten gespannt darauf, was als nächstes passieren würde.
    Sobald die Tänzer den Platz verlassen hatten, wurde er von einigen Frauen gesäubert und mit Wasser besprengt. Erich konnte darin nur eine zeremonielle Geste erkennen, denn der gestampfte Lehmboden sah nachher genauso aus wie auch zuvor schon.
    Danach holte man Erich und die anderen auf den Platz und zeigte ihnen einen Tanz mit einfachen Schrittfolgen, der sie einmal im Kreis herum und dabei immer wieder zur Mitte und zurück nach außen führte. Erich fand mit der Zeit gefallen daran, aber der Halken weigerte sich beharrlich auch nur einen Fuß auf die Tanzfläche zu setzen.
    Als sich Erich schwitzend und außer Atem wieder neben dem Ork niederließ, wehte eine abendliche Brise den Duft von gebratenem Fleisch zu ihm herüber und er spürte, wie sein leerer Magen sich gierig zusammenzog. Er hoffte, dass es bald etwas zu essen geben würde. Tänze waren zwar nett anzusehen, aber satt wurde man von ihnen nicht.
    Aber bevor es so weit war, trat ein alter Mann auf, dessen Unterarme von langen Narben zerfurcht waren. Sie sahen aus, als hätte vor langer Zeit ein wildes Tier seine Krallen hineingeschlagen und eine ganze Weile nicht mehr losgelassen.
    Der Alte hatte ein klobiges Saiteninstrument bei sich, das wie eine Mischung aus einer Harfe und einer Keule aussah und stimmte ein Lied an, das Erich seltsam vertraut vorkam, auch wenn er den Wortlaut nicht verstehen konnte. Nachdem der Alte schon zwei oder drei Strophen gesungen hatte, fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen und er erzählte mir, dass er das Lied aus einem der Bücher im Archiv von Hornhus kannte. Wenn er sich richtig erinnerte, ging es darin um Sigwar und seine Insignien: einen Speer, eine Rüstung und ein Juwel. Nach zehn Strophen verstummte die Stimme des Alten im Knistern des Feuers.
    Es war an der Zeit zu testen, ob das Fleisch gar war. Leider schien es noch ein wenig mehr Hitze zu brauchen und so winkte Borken eine junge Frau auf den Platz, von der Erich von nun an die Augen nicht mehr abwenden konnte.
    Es war das Albino-Mädchen, das er schon zuvor für einen Augenblick gesehen hatte und ihre weiße Haut schimmerte im Licht der Feuer wie ein kostbarer Stein. Ihre Augen waren so leuchtend rot als würden in ihrem Inneren Kohlen brennen und die weißen Haare so fein, dass sie sich wie Rauch um ihren Kopf legten, wenn sie sich schnell bewegte. Darin unterschied sie sich von allen anderen Waldbewohnern, die allesamt braune Augen und dunkle Haare hatten, soweit Erich ausmachen konnte. Seine eigenen Augen waren blau und er war mehr als einmal von einem der Kinder im Dorf gefragt worden, welche Magie das möglich gemacht hatte. Auch in seinem Dorf hatte sonst niemand blaue Augen gehabt und er war es bald gewohnt auf sie angesprochen zu werden. Aber dieses Rot der Iris war etwas ganz anderes und es zog ihn magisch an. Vielleicht waren es auch weniger die Augen, sondern das ganze Gesicht, das so makellos schien, dass es beinahe

Weitere Kostenlose Bücher