Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
schmerzte, wenn sie sich von ihm wegdrehte und er es einen Moment aus den Augen verlor.
Die junge Frau betrat den Platz leichtfüßig wie ein Reh und Erich vergaß seinen Hunger, als sie zwei weiß schimmernde Dolche aus ihrem Gürtel zog und einen Kampftanz begann, dem selbst der Halken mit einem anerkennenden Brummen seinen Respekt zollte.
Sie sprang, duckte sich und wirbelte wie schwerelos um ihre eigene Achse. Immer wieder blitzten einer oder beide Dolche auf, die Waffen schossen vor und zurück wie die Zunge einer Schlange und es war nicht zu sagen, ob sie das Licht der Feuer widerspiegelten oder aus eigener Kraft von innen heraus blitzten.
Einmal hatte Erich als kleines Kind einen Gaukler gesehen, der durch die Dörfer zog und sich für seine kleinen Kunststückchen mit Essen und einem Dach über dem Kopf entlohnen ließ. Damals hatte er darüber gestaunt, wie der Mann es fertig brachte, auf seinen Händen zu laufen, Räder zu schlagen und mit drei Steinen zu jonglieren. Gegen diese Frau verblasste seine bescheidene Kunst wie eine Kerze gegen die Sonne.
Ihr Körper schien so leicht zu sein wie eine Feder und die Erde keine Kontrolle über sie zu haben. Sie stand auf einer Hand, wirbelte mit den Beinen herum und kam nach einer Spiralbewegung wieder sicher auf ihren Beinen auf. Sie wirkte wie ein Fleisch gewordener Schneesturm, der in eine Schmiede voller Klingen gefahren war und Erich wurde sich plötzlich bewusst, dass ihm der Mund offen stand.
Er konnte die Augen nicht von ihr abwenden und ich bemerkte halb erstaunt halb besorgt, dass sein Herz schneller schlug, so als würde er sich vor etwas fürchten. Darauf deuteten auch seine feuchten Handflächen und die geweiteten Pupillen hin, aber sein seliges Lächeln sagte etwas ganz anderes. Ich erinnerte mich plötzlich wieder an eines der Gespräche, das er mit Brogu geführt hatte. Erich hatte gefragt, woran man erkennt, dass man verliebt ist und Brogu hatte geantwortet: „Wenn es sich anfühlt als müsstest du gleich sterben und du trotzdem noch mehr davon willst.“
Im Feuerschein glitzernder Schweiß stand auf der Haut der jungen Frau, als sie sich schließlich verneigte und Erich klappte seinen Mund endlich wieder zu.
Ohne auf den Applaus zu warten verschwand das Mädchen in den Schatten der Bäume, während nun endlich die ersten Braten angeschnitten und verteilt wurden. Aber noch war es nicht an der Zeit zu essen. Zuvor wurden alle, die sich versammelt hatten, erneut aufgefordert sich auf dem Platz einzufinden und an den Händen zu fassen. Doch diesmal war es kein Tanz. Zwar erhob eine Frau ihre Stimme zu einem klagenden Lied und einige der Männer stampften den Rhythmus mit ihren Füßen mit, aber sonst bewegte sich niemand. Die Bewohner des Waldes hielten ihren Blick gesenkt und hoben ihn nur einmal verwundert, als der Halken sich neben die Sängerin stellte und leise in ihr Lied mit einstimmte.
Ein Schauer kroch Erich über den Rücken, als er dieses ungleiche Duett hörte und auch ich spürte, dass ich hier Zeuge von etwas Kostbarem und vielleicht Einmaligem wurde. Der Wirkung dieses Liedes konnte sich niemand entziehen, noch nicht einmal wir Dämonen.
„ Was war das für ein Lied?“, fragte Erich, als sie sich später wieder um die Lagerfeuer versammelt hatten.
„ Es ist die Klage darüber, dass wir verlernt haben das Leben zu essen und deshalb selbst sterben müssen.“, antwortete Laubschatten.
Erich sah den Ältesten ratlos an.
„Bevor es den Atem, Krankheiten oder Träume gab ernährte sich alles, was lebte, vom Leben selbst und wurde niemals alt oder krank. Doch je mehr Pflanzen, Tiere und Menschen geboren wurden und heranwuchsen, desto schwerer drückte ihr Gewicht auf diese Luftblase in der die Welt im Meer des Seins nach oben steigt. Diese wurde langsamer und schließlich stieg diese Welt überhaupt nicht mehr. Alle Götter fragten sich mit Sorge, ob diese wieder auf den lichtlosen Grund des Meeres zurück sinken würden und beschlossen die Zahl jener Lebewesen zu begrenzen, welche diese Welt mit ihnen teilten. Sie verbargen das Leben im Wasser, in der Luft und in der Erde, so dass nur noch jene Pflanzen sich davon ernähren konnten und auch jene nur langsam. Tiere und Menschen mussten von nun an jene Pflanzen töten, um bei Kräften zu bleiben, aber indem jene Menschen abgeschnittene Gräser und die Früchte der Bäume aßen, nahmen sie auch den Tod in sich auf und mussten selbst sterben.“, gab Laubschatten die Legende vom
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