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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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grollte der Halken.
    „ Noch sind wir nicht tot.“, erwiderte Sarn. „So lange wir atmen, gibt es Hoffnung.“
    Erich fand, dass das nicht besonders überzeugend klang.
    Am Rand des Lagers gesellten sich weitere Krieger und weitere Gefangene zu ihnen. Bei den anderen Gefangenen handelte es sich um Männer aus dem Hirtenvolk, denen man die Tücher vom Gesicht gerissen hatte. Erich konnte sehen, dass ihre Wangen von seltsamen Zeichen geziert wurden, die er nicht zu deuten vermochte.
    Nicht nur das Schicksal, sondern auch das Wetter schien sich nun gegen die Hürnin zu wenden. Wie eine Wand zogen von Südwesten her dunkle Wolken heran und verdunkelten die Sonne. Doch der Wind brachte nicht nur etwas Abkühlung sondern auch Hagel. Zumindest hielten wir es zuerst für Hagel, aber was in dicken Körnern auf die Hürnin und ihre Bewacher herab prasselte, war grobkörniger Sand, der schnell seinen Weg in ihre Nasen, Ohren und Münder fand.
    Zum Glück war es bis Wüstende nicht weit und dort gestattete man ihnen endlich, etwas zu essen und zu trinken. Erichs Hals war wundgescheuert vom Sand und dem Holzring und er musste sich überwinden den sandigen, vergorenen Brei, den man ihnen vorsetzte, hinunter zu würgen, ohne seine auf den rücken gebundenen Hände dafür zu Hilfe nehmen zu können. Fliegen umschwärmten sie und was noch schlimmer war als essen zu müssen wie ein Tier war dass sie sich der Stechmücken nicht erwehren, oder sich wenigstens kratzen konnten. Dazu kamen die Kinder und Jugendlichen von Wüstende, die nichts Besseres zu tun hatten, als sie anzugaffen, zu verspotten und sie mit Steinen zu bewerfen. Erich sprang ein Mal wütend auf, als er es nicht länger ertragen konnte, wurde aber von den Stricken, die ihn hielten, unsanft wieder auf den Boden zurückgeholt. Die Kamelreiter um ihn herum lachten und die einheimischen Gefangen rückten ein Stück weiter von den Hürnin ab. Obwohl sie alle zusammen in der gleichen misslichen Lage steckten, wollten die Wüstenbewohner doch lieber unter sich bleiben.
    Zum ersten Mal seit dem Ritual, mit dem er mich gerufen hatte, konnte ich die Mordlust in Erichs Augen sehen und rechnete schon damit, dass er mich aufforderte ihm die Kraft zu geben seine Stricke zu zerreißen. Aber der Moment verflog und er tat es nicht und so hatte ich keine Gelegenheit herauszufinden, ob meine Kraft dazu wirklich ausgereicht hätte. Ich bezweifle es.
    Sarn und der Halken hatten sich unterdessen so gut es ging ein Bild von Wüstende gemacht. Nicht dass es da viel zu sehen gegeben hätte: Um eine Wasserstelle drängten sich einige Hütten und Felder, beherrscht von einer Zitadelle, die schon einmal bessere Tage gesehen hatte. Eine Fahne mit einem gehörnten Ziegenkopf als Emblem flatterte träge vom höchsten Turm im wieder abflauenden Wind.
    „ Dieser Ort war auf keiner der Karten verzeichnet, die ich kenne.“, sagte Sarn, als es dem Dorfpöbel schließlich zu langweilig geworden war sie weiter zu piesacken. „Aber hier in der Nähe muss Lazara liegen, die Stadt, die direkt nach der Schlacht auf dem Sommerfeld gegründet wurde.“
    Erich war vor Erschöpfung wieder eingenickt und weder der Halken noch Kern schenkten ihm Beachtung, aber Sarn erzählte trotzdem weiter. „Früher hieß sie einfach nur Lazarett, denn nichts anderes war sie, aber die Menschen blieben auch noch nach Generationen dort. Es heißt, dass man den größten Teil der erbeuteten Rüstungen und Waffen dort hin gebracht und ein Monument in Form eines Löwen daraus errichtet hat. Ich weiß nicht, warum ausgerechnet ein Löwe. Das steht wohl für die Opfer, die man im Kampf gegen uns bringen musste.“
    Er verstummte, als sich Männer mit Fackeln näherten. Es war noch längst nicht dunkel, aber die Häuser warfen schon lange Schatten. Unsanft riss man die Gefangenen auf die Beine, löste ihre Fesseln und stieß sie vor sich her in den Innenhof der Zitadelle, wo man sie erst einmal eine Weile unter strenger Bewachung stehen ließ.
    Dann tauchte über ihnen Bräg auf einem der Balkone auf. Er hatte das Tuch von seinem Gesicht genommen, den gehörnten Helm aber aufbehalten. Sein Mund wurde verdeckt von einem künstlich weiß gefärbten Bart, der wohl wie der einer Ziege aussehen sollte ihm aber eher das Aussehen einer schlecht gemachten Puppe verlieh. Er hielt etwas in der Hand, das Erich nicht gleich erkennen konnte.
    „Woher habt ihr dieses Messer?“, wollte er wissen.
    Sarn sog scharf die Luft ein, als er erkannte,

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