Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
weite Gewänder aus geflochtenem Ziegenhaar gehüllt, die am Tag Schutz vor der Sonne und in der Nacht Schutz vor der Kälte boten und den ganzen Tag über kaum vom Hellbraun des Bodens zu unterscheiden waren. Ihre Gesichter waren hinter Tüchern verborgen und an den Handgelenken trugen sie schwere metallene Armbänder. Erich konnte außerdem sehen, dass sie alle einen gekrümmten Dolch in ihrem Gürtel stecken hatten.
„Ihr habt das Eigentum des Scharif angetastet.“, verkündete einer der Männer fast feierlich. Durch ihre Tücher war es schwierig auszumachen, wer von ihnen sprach, aber einer der Männer sah ein wenig mehr nach Anführer aus als die anderen. „Dafür wird man euch an den Baum stellen. Leistet keinen Widerstand.“
Sarn warf dem Halken einen bitterbösen Blick zu und versuchte die Situation durch gutes Zureden noch zu retten. Er sagte, dass sie nicht gewusst hätten, wessen Ziegen das hier seien und dass sie für den Schaden aufkommen würden, aber seine Worte zeigten keinerlei Wirkung. Erich glaubte sogar einen der Männer über sie lachen zu hören. Sarn gab dem Halken ein Handzeichen und als Erich genauer hinschaute, bekam er gerade noch mit, wie der Ork die Hand von einer seiner Waffen sinken ließ. Das hier waren keine behäbigen Skelettkrieger oder tumbe Hirtenknaben und sie waren den Hürnin zahlenmäßig vier zu eins überlegen. Wir konnten nicht darauf hoffen zu kämpfen und lebend zu entkommen.
Während die einen Männer die Hürnin mit vorgehaltenen Speeren in Schach hielten, nahmen ihnen die anderen ihre Waffen und Rucksäcke ab. Was ihnen unbrauchbar erschien warfen sie achtlos beiseite und als Sarn darüber protestierte, brachte ihm das nur einen warnenden Stich mit einem Speerende ein.
Behutsam hoben zwei der Männer die Reste der Ziege auf und betteten sie auf ein Tuch, um sie wegzutragen. Es sah beinahe aus wie eine kleine Prozession bei einem Begräbnis.
Danach wurden den Hürnin unsanft die Hände auf den Rücken gebunden und man führte sie fort.
„ Wohin bringt ihr uns?“, verlangte Sarn zu wissen.
„ Zum Baum. Dort werdet ihr eure gerechte Strafe erhalten.“
Wieder versuchte Sarn einzuwenden, dass sie für den Verlust der Ziege aufgekommen wären, wenn man ihnen Gelegenheit dazu gegeben hätte, aber er wurde mit einem wütenden Zischen zum Schweigen gebracht.
„Ihr habt getötet! Wie wollt ihr das wiedergutmachen? Nein, der Baum wird eure Strafe sein.“
„ Aber es war doch nur eine Ziege!“, rief Sarn entrüstet. Er hätte besser den Mund gehalten. Denn die Antwort darauf bestand aus einem ernst gemeinten Schlag mit dem Speer auf Sarns Kopf. Erich konnte sehen, wie er wankte und Blut über sein Gesicht lief, aber die vorgehaltenen Speere hinderten ihn und den Halken daran Sarn zu Hilfe zu kommen. Nur Kern war von alledem vollkommen unbeeindruckt. Er summte fröhlich ein Lied vor sich hin und brabbelte etwas von Männern, die auf Ziegen starren.
Durch immer unwegsameres Gelände wurden wir zu einem Zeltlager geführt, in dem es vor Ziegen nur so wimmelte. Als die Männer das Lager betraten, hoben die Tiere ihre Köpfe und starrten Erich und die anderen eine Weile lang an, bevor sie sich wieder der Futtersuche zuwendeten.
„Was riecht hier so seltsam?“, flüsterte Erich aber keiner antwortete ihm.
Ein seltsames Aroma lag über dem Lager, das von den Ausdünstungen der Tiere und noch etwas anderem stammte, das Erich nicht einordnen konnte. Ihre Bewacher wurden von weiteren Bewaffneten mit einem Schulterklopfen begrüßt und banden ihre Gefangenen an einem Pfahl fest. Dann setzten sie sich an eines der Feuer, um aus silbernen Bechern ein Gebräu von dunkler Farbe zu schlürfen, das der Ursprung des seltsamen Geruchs sein musste. Es war vielleicht eine Stunde nach Sonnenaufgang und in dem Zeltlager herrschte reger Betrieb. Erich merkte, wie die unruhige Nacht, in der er kaum geschlafen hatte, ihren Tribut forderte. Sein Stand war unsicher und er konnte kaum seine Augen offen halten. Vielleicht lag es aber auch an den Ausdünstungen der Männer und ihrer Tiere, die ihn so benommen machten. Er wusste es nicht.
Man band sie nach einer Weile wieder los und führte sie zu einem Platz etwas abseits der Zelte, der dazu verwendet wurde die Kamele und Esel der Hirten anzupflocken und zu tränken. Überall lag der Kot dieser Tiere herum und es stank erbärmlich. Mit geübten Fingern band man sie einzeln an Pfeiler, die dort in der Erde steckten und ließ sie dann
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