Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
begegneten, machten sich schnell aus dem Staub, sobald sie Bräg erkannten. Nur die Augen, die uns aus dunklen Fensteröffnungen heraus nachstarrten, verschwanden nicht, wohin wir auch gingen.
Und über allen Straßen und den meisten Häusern wachte das Zeichen des gehörnten Ziegenkopfes. Manchmal als Fahne, in den meisten Fällen jedoch als hastig hingeworfene Schmiererei, so als hätte jemand versucht sein Haus in aller Eile zu kennzeichnen.
Bräg führte uns zu einem weitläufigen Gebäude mit einem Innenhof, der nun im Schatten der Abenddämmerung lag. Erich und die anderen erkannten ein Gerüst mit einer Seilwinde, die über einem Loch im Boden angebracht war.
„ Schafft sie hinunter.“, wies Bräg seine Männer an, während er vom Kamel sprang und sich vor einem Mann verbeugte, der in einer Toröffnung wartete. Während Bräg mit dem anderen Mann im Inneren des Hauses verschwand und die Kamele weggeführt wurden, nahm man Erich und den anderen die Halsringe ab und schob sie unsanft in Richtung Gerüst. Zwei zerlumpte Gestalten zogen unter Aufsicht einer Wache das Gitter über dem Loch weg und stellten sich dann an die Seilwinde. Einer nach dem anderen kamen die Gefangenen mit auf dem Rücken zusammengebunden Händen an einen Haken und wurden in die Dunkelheit hinabgelassen. Erich schrie vor Schmerz, als ihm dabei fast das Schultergelenk ausgekugelt wurde und er blieb keuchend am feuchten Grund liegen. Er spürte wie Kern als letzter von ihnen neben ihm ankam, versuchte aber nicht auszuweichen, selbst als er auf ihn trat. Erst als der Schmerz in seiner Schulter nachließ und seine Tränen versiegten, versuchte er sich zu orientieren. Wir befanden uns in einem gemauerten, kreisrunden Verließ, das sich nach oben hin wie eine Flasche verjüngte. Wie Kerzenwachs hingen Kalkbärte von den Wänden herunter und der spärliche Rest Licht, der zu uns hereindrang, genügte gerade so sich in den fiebrig glänzenden Augen von gut zwei Dutzend Mitgefangenen zu spiegeln, die die Neuankömmlinge apathisch oder lauernd anstarrten. Während die anderen Gefangenen sich einen Platz an den Wänden suchten, blieben die Hürnin in der Mitte des Verließes sitzen.
„ Bleibt zusammen.“, flüsterte der Halken. „Jeder, der uns zu nahe kommt, wird die Stiefel des Halken zu schmecken bekommen.“
Noch nie zuvor war Erich so froh, dass der Halken bei ihnen war, wie in dieser Nacht. Erst als der Halken drei der Gefangenen niedergetreten hatte, die ihnen zu nahe gekommen waren, blieben sie von weiteren Übergriffen verschont, aber Erich konnte hören, wie man sich über den Mann hermachte, den der Halken bewusstlos geschlagen oder sogar getötet hatte. Er wusste nicht, was die anderen Gefangenen in der Dunkelheit mit ihm machten. Er wollte es auch gar nicht wissen, denn es machte keinen Unterschied. Nachdem die anderen Gefangenen mit ihm fertig waren, war er auf jeden Fall tot.
Die Hürnin schafften es bald sich gegenseitig von den Handfesseln zu befreien und Erich fiel in einen unruhigen Schlaf über den der Halken wachte. Er wurde einige Zeit später von Stimmen geweckt, die sich ganz in seiner Nähe raunend miteinander unterhielten. Eine davon war die Stimme von Sarn, die andere kannte Erich nicht.
„ Es gibt also eine Möglichkeit dem Baum zu entkommen?“, hörte er Sarn gerade sagen.
„ Ja, aber nicht für mich oder für euch, fürchte ich. Wenn man Glück hatte und von Verwandten freigekauft wurde, konnte man dem Baum entgehen, aber wer sich das leisten konnte, konnte es sich auch leisten von hier fortzugehen und zu versuchen wo anders ein besseres Leben zu finden. Aber da kann man genauso gut hier sterben. Ein gutes Leben findet man heutzutage nirgends mehr.“
„ Warum? Steht es so schlecht um Sunterak?“
Die andere Stimme lachte heiser.
„Schlecht? Sunterak ist zum Vorhof der Hölle geworden. Der Baum ist nur einer von vielen Dämonen, die das Land unter sich aufgeteilt haben, heißt es. Und der Scharif ist der Schlimmste von ihnen.“ Erich konnte hören, wie jemand auf den Boden spuckte.
„ Der Scharif ist der neue Herrscher von Sunterak?“
„ Ja. Seit die Flamme erloschen ist, gibt es niemanden mehr, der sich ihm entgegenstellen könnte. Seine Anhänger hausen hier schlimmer als seinerzeit die Hörnernen.“
„ Der Dämonenjäger ist also tot?“
„ Tot oder verschwunden, es macht keinen Unterschied. Vor einem Dutzend Jahren ungefähr ist er plötzlich verschwunden und der Aufstieg des Scharif
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